Sinuhe der Ägypter
gekränkten Blick zu, als ich in Lachen ausbrach, weil ich mir vergeblich vorzustellen versuchte, wie es aussehen würde, wenn Kaptah, der eine Sänfte nahm, wenn ich zu Fuß ging, zu laufen versuchte. Ich dachte auch daran, daß die Wärme des Feuerbeckens kaum durch die dicke Fettschicht dringen und ihm die Knochen wärmen würde. Aber diese Gedanken hatte ich vermutlich dem »Krokodilschwanz« zu verdanken. Deshalb hielt ich mit Lachen inne, bat Kaptah ernsthaft um Verzeihung und forderte ihn auf, in seiner Erzählung fortzufahren.
»Bereits als junger Sklave hielt ich den Beruf eines Schankwirts für den verlockendsten und beneidenswertesten«, erklärte Kaptah, den der »Krokodilschwanz« weich gestimmt hatte. »Zu jener Zeit dachte ich allerdings hauptsächlich daran, daß ein Wirt so viel Bier, wie ihn gelüstet, umsonst trinken konnte, ohne daß ihn jemand deswegen tadelte. Jetzt weiß ich wohl, daß er beim Trinken maßhalten muß und sich nie berauschen darf – und gerade das wird sehr gesund für mich sein! Denn nach übertriebenem Biergenuß wird mir zuweilen wunderlich zumute, und ich glaube Flußpferde und andere schreckliche Dinge zu sehen. Ein Schankwirt trifft stets Menschen, die ihm nützlich sein können; er erfährt und weiß alles, was vor sich geht, und das lockt mich mächtig, weil ich von Geburt an sehr neugierig gewesen. Als Wirt werde ich auch viel Nutzen von meiner Zunge haben und die Gäste so gut unterhalten können, daß sie, ohne es selbst zu merken, einen Becher nach dem anderen leeren und erst im Augenblick des Zahlens staunen werden. Wenn ich somit alles bedenke, glaube ich, daß mich die Götter von Anfang an zum Schankwirt bestimmt haben, obwohl ich versehentlich als Sklave geboren wurde.«
Kaptah leerte seine Schale, stützte den Kopf in die Hände, lächelte und fuhr fort: »Auch ist der Beruf eines Schankwirts meines Erachtens der sicherste von allen. Denn der Durst des Menschen bleibt sich gleich, was immer auch geschehen mag; und wenn die Macht des Pharao erschüttert und die Götter von ihren Thronen stürzen würden, wären die Schenken und Weinstuben doch nicht leerer als zuvor. Denn der Mensch trinkt Wein in seiner Freude, und in seinem Kummer trinkt er Wein, im Erfolg ergötzt er sein Herz mit Wein und ertränkt seine Enttäuschung in Wein. Ein Mann trinkt Wein, wenn er verliebt ist und auch wenn seine Frau ihn schlägt. Zum Wein nimmt er Zuflucht, wenn er Unglück in seinen Geschäften hat, und mit Wein begießt er seine Siege. Nicht einmal die Armut hindert den Menschen am Weintrinken; denn er arbeitet um so fleißiger, um seiner Armut durch Wein ein wenig Farbe zu verleihen. Deshalb habe ich mein im Laufe der Jahre erspartes Gold und Silber in dieser Schenke angelegt, und wahrlich, einen vorteilhafteren und angenehmeren Beruf kann ich mir kaum vorstellen. Allerdings soll der bisherige Wirt den ›Krokodilschwanz‹ einstweilen mit der Hilfe dieser Hexe Merit weiterführen und den Gewinn mit mir teilen, bis ich mich auf meine alten Tage hier zu Ruhe setzen werde. Wir haben eine Vereinbarung getroffen und bei allen tausend Göttern Ägyptens geschworen, sie zu halten. Deshalb glaube ich nicht, daß er mir mehr als angemessen von dem Gewinne stehlen wird; denn er ist ein frommer Mann, der an Feiertagen in den Tempel opfern geht.«
Nach dieser langen Rede begann Kaptah zu stottern und zu weinen, legte den Kopf in meinen Schoß und schlang in großer Rührung und ebenso großem Rausch die Arme um meine Knie. Ich faßte ihn bei den Schultern, zwang ihn in sitzende Stellung und sagte: »Wahrlich, ich glaube, du hättest keinen passenderen Beruf finden können, um dein Alter sicherzustellen! Eines aber verstehe ich trotzdem nicht. Da der Schankwirt weiß, daß seine Weinstube so viel einbringt und er außerdem das Geheimnis des ›Krokodilschwanzes‹ besitzt: wieso ist er dann darauf eingegangen, dir die Schenke zu verkaufen?«
Tränenden Auges betrachtete mich Kaptah vorwurfsvoll und sagte: »Habe ich nicht tausendmal gesagt, du besitzt eine seltene Fähigkeit, all meine Freude mit deinem Verstand, der bitterer als Wermut ist, zu vergiften? Genügt es nicht, wenn ich wie jener sage, daß wir Jugendfreunde sind, einander wie Brüder lieben und daher Freude und Gewinn miteinander teilen wollen? Aber in deinen Augen sehe ich, daß dir dies nicht genügt, ebensowenig wie es übrigens mir genügt hat. Daher muß ich zugeben, daß auch hinter diesem Kauf etwas steckt. Es geht
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