Sinuhe der Ägypter
oder an die Hetiter zu verkaufen? Sie bezahlen gut für Streitwagen und Pferde!« meinte Haremhab höhnisch. »Ich verstehe, daß es sich für dich nicht lohnt, eine ordentliche Armee zu halten, nachdem du begonnen hast, die ganzen Reichtümer Ägyptens in einen Sumpf zu vergraben oder in Ziegel zu verwandeln.«
So stritten sie sich Tag für Tag, bis Haremhab dank seinem Starrsinn Oberbefehlshaber über die Grenzbewachungstruppen und über die Wachmannschaften aller Städte wurde. Ihre Bewaffnung aber bestimmte der Pharao, und sie durfte nur aus Speeren mit Holzspitzen bestehen. Die Zahl der Truppen überließ er jedoch Haremhabs Gutdünken. Haremhab ließ die Befehlshaber der Bezirkswachen nach Memphis, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, berufen; denn diese Stadt lag im Herzen Ägyptens und an der Grenze zwischen den beiden Reichen. Doch im Augenblick, da er sich an Bord seines Kriegsschiffes begeben wollte, überbrachte ein Eilbote in einem Ruderboot beunruhigende Nachrichten und Lehmtafeln aus Syrien, die überzeugend bewiesen, daß König Aziru, der von den Unruhen in Theben gehört hatte, die Zeit für günstig hielt und einige Nachbarstädte durch Überrumpelung eingenommen hatte. Auch in Megiddo, dem Schlüssel Syriens, tobte ein Aufstand. Die Truppen Azirus belagerten die Festung, wo die ägyptische Garnison sich verschanzt hielt, und diese ersuchte den Pharao um rasche Hilfe. Aber Pharao Echnaton meinte:
»Ich glaube, daß König Aziru gute Gründe für seine Handlungsweise hat; denn, soviel ich weiß, ist er ein hitziger Charakter, und vielleicht haben meine Gesandten ihn erzürnt. Deshalb kann ich ihn nicht verurteilen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sein Vorgehen zu verteidigen. Etwas aber kann ich tun, und ich bedaure, nicht früher daran gedacht zu haben. Da zur Zeit eine Stadt Atons im schwarzen Lande erbaut wird, muß ich Aton auch im roten Lande, in Syrien und in Kusch Städte gründen. Wahrlich, in Kusch soll eine Atonstadt errichtet werden und ebenso in Syrien, und diese soll der Sitz der Regierung werden. Megiddo ist ein Kreuzungspunkt der Karawanenwege und wäre daher der geeignete Platz für eine Stadt Atons, aber ich befürchte, daß es dort augenblicklich zu unruhig ist, als daß man mit den Bauarbeiten beginnen könnte. Aber du hast mir von Jerusalem erzählt; dort hast du ja einen Atontempel errichtet, als du Krieg gegen die Chabiri führtest, was ich mir selbst niemals verzeihen kann. Jerusalem liegt zwar nicht wie Megiddo im Herzen Syriens, sondern südlicher, aber ich werde sofort die nötigen Maßnahmen ergreifen, um aus Jerusalem eine Atonstadt zu machen, so daß es der Mittelpunkt Syriens wird, wenn es heute auch erst ein Dorf aus baufälligen Hütten ist.«
Als Haremhab das vernahm, zerbrach er seine Peitsche und warf sie dem Pharao vor die Füße; dann begab er sich an Bord seines Kriegsschiffes und segelte stromabwärts nach Memphis.
Seinen Aufenthalt in Achetaton aber hatte er auch dazu benützt, um sich von mir in Ruhe erzählen zu lassen, was ich in Babylon und Mitani, im Lande der Hetiter und auf Kreta gesehen und gehört hatte. Er hörte mir schweigend zu, nickte zuweilen, als wollte er sagen, daß ich ihm nichts Neues erzähle, und fingerte an dem Messer herum, das ich von dem hetitischen Hafenaufseher erhalten hatte. Zuweilen richtete er Fragen an mich, wie zum Beispiel: »Beginnen die Soldaten Babyloniens ihren Marsch mit dem linken Fuß, wie die Ägypter, oder mit dem rechten, wie die Hetiter?« Oder: »Lassen die Hetiter beim Verwenden schwerer Streitwagen das Ersatzpferd neben den anderen oder hinter dem Wagen herlaufen?« Oder: »Wie viele Speichen haben die Streitwagenräder der Hetiter, und sind sie durch Metall verstärkt?«
Derartige Fragen richtete er sicherlich an mich, weil er ein Krieger war, denn solche bedeutungslosen Dinge interessieren einen Krieger ungefähr so, wie wenn ein Kind die Beine eines Tausendfüßlers zu zählen versucht. Aber alles, was ich ihm über Wege, Brücken und Flüsse berichtete, ließ er aufschreiben, und ebenso alle Namen, die ich nannte, und ich bat ihn, sich mit seinen Fragen an Kaptah zu wenden, der kindisch genug war, sich allerhand unnütze Dinge zu merken. Hingegen zeigte er nicht die geringste Neugier, als ich ihm erzählte, wie man aus der Leber wahrsagen könne, und als ich ihm die tausend verschiedenen Tore und Gänge und Brunnen der Leber beschrieb, ließ er nichts darüber aufzeichnen.
Jedenfalls verließ
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