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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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er Achetaton in Zorn, und der Pharao freute sich sehr über seine Abreise; denn die Gespräche mit Haremhab quälten ihn so heftig, daß er schon bei dessen Nahen Kopfweh bekam. Zu mir aber sagte er nachdenklich:
    »Vielleicht ist es Atons Wille, daß Ägypten Syrien verlieren soll, und wenn dem so ist, wie hätte ich dann das Recht, mich gegen seinen Willen aufzulehnen? In diesem Fall geschieht es nur zu Ägyptens Wohl! Der Reichtum Syriens hat das Herz Ägyptens zerfressen; denn aller Überfluß, alle Verweichlichung, alle Unsitten und Laster kommen aus Syrien. Wenn wir Syrien verlieren, wird Ägypten wieder ein einfacheres Leben in der Wahrheit führen müssen, und es könnte Ägypten nichts Besseres widerfahren. Von Ägypten muß das neue Leben ausgehen, um sich über die Welt zu verbreiten.«
    Mein Herz aber lehnte sich gegen seine Rede auf, und ich sagte: »Der Befehlshaber der Garnison von Simyra hat einen Sohn namens Ramses, einen aufgeweckten kleinen Jungen mit großen braunen Augen, der gerne mit bunten Steinen spielt. Ich heilte ihn einst von den Windpocken. Ferner wohnt in Megiddo eine ägyptische Frau, die mich in Simyra einmal aufsuchte, weil sie meinen Ruf vernommen hatte; ihr Bauch war aufgeschwollen. Ich öffnete ihn mit dem Messer, und sie blieb am Leben. Ihre Haut war weich wie Wollstoff, und sie hatte wie alle Frauen Ägyptens einen schönen Gang, obwohl ihr Bauch geschwollen war und ihre Augen vom Fieber glänzten.«
    »Ich verstehe nicht, warum du mir das alles erzählst«, sagte Pharao Echnaton und begann, ein Bild des Tempels, wie er ihn sich vorstellte, auf eine Papyrusrolle zu zeichnen; denn er pflegte seine Architekten und Baumeister unablässig mit Zeichnungen und Erklärungen zu belästigen, obgleich sie viel mehr von Baukunst verstanden als er.
    »Ich meine nur, daß ich den kleinen Ramses mit zerschlagenem Mund und blutbefleckter Stirnlocke vor mir sehe. Und auch jene Frau aus Megiddo sehe ich nackt und blutig im Festungshof liegen, wo die Amoriter ihren Leib schänden. Aber ich gebe natürlich gerne zu, daß meine Gedanken gering sind im Vergleich zu den deinigen, und daß ein Herrscher sich schließlich nicht um jeden Ramses und um jede zarte Frau kümmern kann.«
    Da streckte der Pharao seine geballten Fäuste in die Luft, die Kopfschmerzen verdunkelten seinen Blick, und er rief: »Sinuhe, begreifst du denn nicht, daß ich lieber den Tod von hundert Ägyptern als den von tausend Syriern wähle? Wenn ich in Syrien Krieg führen wollte, um jeden dort wohnenden Ägypter zu retten, würden viele Ägypter und viele Syrier im Kampf fallen; und ein Syrier ist ebenso wie ein Ägypter ein Mensch, in dessen Brust ein Herz schlägt und der Frauen und klaräugige Söhne besitzt. Wenn ich Böses mit Bösem vergelten wollte, würde ich nur Böses erreichen. Wenn ich aber Böses mit Gutem vergelte, wird das daraus entstehende Böse geringer sein. Ich will nicht den Tod vor dem Leben wählen. Deshalb verschließe ich meine Ohren deinen Worten und bitte dich, mit mir nicht mehr über Syrien zu sprechen, falls dir mein Leben teuer ist und du mich liebst, denn wenn ich an Syrien denke, leidet mein Herz die Qualen all jener, die meines Willens wegen sterben würden, und ein Mensch vermag nicht lange die Leiden vieler anderer zu tragen. Um Atons und meiner Wahrheit willen, laß mich daher in Frieden!«
    Er beugte sein Haupt, die Augen traten ihm blutgerötet vor Schmerz aus dem Kopf, und die wulstigen Lippen zitterten vor Aufregung. Deshalb ließ ich ihn in Ruhe, doch in meinen Ohren tönten das Dröhnen der Sturmböcke gegen die Mauern Megiddos und das Wehgeschrei vergewaltigter Frauen aus den Wollzelten der Amoriter. Aber ich verstockte mein Herz gegen diese Laute; denn ich liebte den Pharao, obwohl er verrückt war. Ja, vielleicht liebte ich ihn gerade wegen seiner Verrücktheit; denn sie war schöner als die Weisheit anderer Menschen.

    5

    Nun muß ich noch von den Hofleuten erzählen, die Echnaton unverzüglich in die Stadt der Himmelshöhe folgten; denn sie hatten ihr Leben lang im goldenen Haus des Pharao gelebt, und ihr Dasein hatte keinen anderen Zweck, als in der Nähe des Pharao zu weilen, zu lächeln, wenn er lächelte, und die Stirn zu runzeln, wenn er die seinige runzelte. So hatten es die Väter vor ihnen und die Großväter vor den Vätern gehalten, und von den Vätern hatten sie ihre königlichen Ämter und Titel geerbt und waren stolz auf ihre Rangstufen und verglichen sie miteinander.

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