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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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den Seltenheiten, daß ein Pharao eine Vogelfängerin vom Stromufer heiratet und zu seiner großen königlichen Gemahlin erhebt.
    Während sie Bier trank, eröffnete sie ein vertrauliches, offenherziges Gespräch mit mir. Das war nichts Ungewöhnliches; denn ich war ja Arzt, und die Frauen pflegen ihrem Arzte vieles anzuvertrauen, was sie anderen Menschen niemals mitteilen würden. In dieser Beziehung unterschied sich die Königin Teje nicht von anderen Frauen.
    Das Bier löste ihr die Zunge: »Sinuhe, du, dem ein törichter Einfall meines Sohnes den Beinamen ›der Einsame‹ verliehen hat, obwohl du wahrlich keineswegs einsam aussiehst und ich wetten kann, daß du dich in Achetaton jede Nacht an einer neuen Frau ergötzest – denn ich kenne die Frauen Achetatons nur zu gut! –, jawohl, Sinuhe, du bist ein friedfertiger Mensch. Vielleicht der friedfertigste, den ich überhaupt kenne. Deine Gelassenheit reizt mich derart, daß ich dich am liebsten mit einer Kupfernadel stechen möchte, um dich auffahren und stöhnen zu sehen! Ich verstehe durchaus nicht, woher du diese Ruhe nimmst. Aber sicherlich bist du in deinem Herzen ein guter Mensch, obgleich ich nicht begreife, welchen Nutzen ein Mensch davon hat, gut zu sein. Ich habe beobachtet, daß nur dumme Menschen, die nichts anderes können, gut sind. Doch wirkt deine Anwesenheit merkwürdig beruhigend auf mich, und ich wollte dir sagen, daß Aton, den ich in meiner Torheit zur Macht gelangen ließ, mir viele Sorgen bereitet. Ich wollte die Sache keineswegs so weit kommen lassen, sondern erfand Aton nur, um Ammon zu stürzen und meine und meines Sohnes Macht zu erweitern. Eigentlich war das Ganze eine Idee Ejes, meines Gemahls, wie du weißt; oder solltest du etwa gar so unschuldig sein, nicht einmal das zu wissen, so möge gesagt sein, daß er mein Gemahl ist, obwohl es sich für uns nicht schickt, miteinander den Krug zu zertrümmern. Ich meine bloß, daß dieser verdammte Eje, der nicht mehr Kraft besitzt als eine Kuh im Euter, den Aton von Heliopolis mitgebracht und dem Jungen eingetrichtert hat. Ich begreife tatsächlich nicht, was mein Sohn an diesem Gott findet; aber schließlich war er schon als Kind ein Träumer. Ich kann mir nichts anderes denken, als daß er eben verrückt ist und man ihm den Schädel öffnen sollte. Ich verstehe nicht, was in ihn gefahren ist, so daß seine Gemahlin, die schöne Tochter Ejes, ihm eine Tochter nach der anderen gebiert, obwohl meine lieben Zauberer ihr möglichstes getan haben, um ihr zu helfen. Auch begreife ich nicht, warum das Volk meine Zauberer so haßt: sie sind goldige Menschen, wenn sie auch Schwarze sind und Elfenbeinstäbchen in der Nase tragen und ihre Lippen wie auch die Schädel ihrer Kinder ausdehnen. Ich weiß, daß das Volk sie haßt; deshalb muß ich sie in den Höhlen des goldenen Hauses versteckt halten, weil das Volk sie sonst umbringen würde. Ich kann aber nicht auf sie verzichten; denn niemand kann wie sie meine Fußsohlen kitzeln und mir Arzneien zubereiten, die mich das Leben als Frau noch genießen lassen. Wenn du aber glaubst, daß Eje mir noch irgendeinen Genuß bereiten kann, irrst du dich gewaltig; und ich verstehe eigentlich nicht, warum ich so an ihm festhalte, obwohl ich besser daran täte, ihn fallenzulassen – besser für mich selbst, meine ich. Vielleicht könnte ich ihn aber überhaupt nicht mehr aufgeben, selbst wenn ich wollte; und auch das macht mir Sorgen. Deshalb sind meine lieben Neger nunmehr meine einzige Freude.«
    Die große königliche Mutter kicherte leise vor sich hin, wie es die Waschweiber des Hafens beim Biertrinken zu tun pflegen, und immer noch kichernd fuhr sie fort:
    »Meine Neger, Sinuhe, sind nämlich große, geschickte Ärzte, wenn auch das unwissende Volk sie Zauberer schimpft. Auch du könntest gewiß manches von ihnen lernen, wenn du bloß dein Vorurteil gegen ihre Hautfarbe und ihren Geruch überwinden könntest und sie selbst darauf eingingen, dich in ihre Kunst einzuweihen, was ich zwar nicht glaube; denn sie wahren ihre Geheimnisse sorgfältig. Ihre Hautfarbe ist warm und dunkel und ihr Geruch durchaus nicht widerwärtig, sondern so angenehm und anregend, daß man, wenn man sich an ihn gewöhnt hat, nicht mehr ohne ihn leben kann. Sinuhe, da du ein Arzt bist und mich daher nicht verraten wirst, will ich dir anvertrauen, daß ich mich bisweilen auch mit ihnen ergötze, weil sie es mir als Heilmittel vorschreiben und weil eine alte Frau wie ich schließlich

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