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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Einbildung.
    So verließ ich Theben und kehrte nach Achetaton zurück – und von nun an habe ich nur noch Unheilvolles zu berichten.

Dreizehntes Buch

ATONS REICH AUF ERDEN

    1

    Bei meiner Rückkehr nach Achetaton stellte ich fest, daß Pharao Echnaton tatsächlich krank und meiner Hilfe bedürftig war. Seine Wangen waren ausgehöhlt, die Backenknochen traten hervor, sein Hals wirkte noch länger als früher, und bei feierlichen Gelegenheiten sank sein Haupt unter der Schwere der beiden Kronen nach hinten. Seine Oberschenkel waren geschwollen, die Beine dünn wie Stecken, unter den Augen hingen von dem ständigen Kopfschmerz verursachte bläulichrote Hautsäcke. Auch sah er den Leuten nicht mehr in die Augen, sondern ließ den Blick in andere Welten schweifen und vergaß über seinem Gott oft seine Gesprächspartner. Sein Kopfweh verschlimmerte sich wohl noch mehr, weil er, um sein Haupt den segnenden Strahlen der Sonne auszusetzen, in der Mittagshitze ohne königliche Kopfbedeckung oder Sonnenschirm im Freien umherwanderte. Die Strahlen Atons aber segneten ihn keineswegs, sondern vergifteten ihn vielmehr, bis er böse Gesichte hatte und irrezureden begann. Sein Gott glich ihm vielleicht insofern, als er seine Liebe allzu freigebig, unvermittelt, überschwenglich, ja gewaltsam anbot, weshalb seine Güte schlechte Folgen zeitigte und seine Liebe Verderben säte.
    In klaren Augenblicken aber, wenn ich sein Haupt mit kalten Umschlägen kühlte und seine Qualen durch milde Arzneien stillte, sah er mich mit düsteren, verbitterten Augen an, als hätte eine unsägliche Enttäuschung seine Seele ergriffen, und sein Blick rührte mein Herz so sehr, daß ich ihn in seiner Schwäche von neuem lieben mußte und viel dafür gegeben hätte, ihn von seiner Niedergeschlagenheit zu erlösen. Er sprach zu mir:
    »Sinuhe, sollten meine Gesichte nur Wahnvorstellungen meines kranken Gehirns sein? Dann wäre das Leben fürchterlicher, als man sich vorstellen kann, und die Welt nicht von Güte, sondern von grenzenloser Bosheit regiert. Deshalb kann es sich nicht so verhalten, und daher müssen meine Gesichte wahr sein. Hörst du, Sinuhe, du Widerspenstiger! Meine Gesichte müssen wahr sein, obgleich Atons Sonne nicht mehr in meinem Herzen leuchtet und meine Freunde auf mein Lager spucken. Ich bin durchaus nicht geblendet, sondern sehe den Menschen ins Herz. Auch in dein Herz, Sinuhe, sehe ich, in dein weiches, schwaches Herz, und weiß, daß du mich für irrsinnig hältst; aber ich verzeihe es dir, weil das Licht dir einmal das Herz durchdrungen hat.«
    Wenn die Schmerzen ihn befielen, stöhnte und jammerte er und sagte: »Sinuhe, eines kranken Tieres erbarmt man sich mit einer Keule, und ein Speer erlöst den verwundeten Löwen; eines Menschen aber nimmt sich niemand an! Meine Enttäuschung schmeckt mir bitterer als der Tod, den ich nicht fürchte, weil Atons Licht in meinem Herzen glänzt; mein Leib ist sterblich, mein Geist aber wird in Ewigkeit leben und in Aton über die Welt strahlen. Von der Sonne bin ich geboren, Sinuhe, und zur Sonne werde ich wiederkehren; meiner Enttäuschung wegen sehne ich mich bereits danach.«
    So sprach er zu mir, wenn er krank war, und ich weiß nicht, ob er sich selbst all dessen, was er äußerte, bewußt war. Als der Herbst nahte, begann er sich dank meiner Pflege wieder zu erholen, obgleich es vielleicht besser gewesen wäre, ich hätte mich seiner nicht angenommen, sondern ihn ruhig sterben lassen. Ein Arzt, dessen Kunst einen Kranken zu heilen vermag, darf diesen nicht sterben lassen. Hierin liegt oft der Fluch des Arztes, gegen den er nichts vermag; denn er muß Böse und Gute, Fromme und Ungerechte gleichermaßen heilen. Beim Nahen des Herbstes besserte sich sein Zustand; doch in dem Maße, wie er genas, verschloß er sich in sich selbst, vertraute sich weder mir noch anderen mehr an, seine Augen bekamen einen harten Glanz, und er war sehr einsam.
    Er hatte die Wahrheit gesprochen, wenn er behauptete, seine Freunde spuckten auf sein Lager; denn nachdem ihm Königin Nofretete fünf Töchter geschenkt, ward sie seiner überdrüssig, begann ihn zu hassen und bedenkenlos auf jede Art und Weise zu kränken. Als das Samenkorn zum sechsten Mal für Nofretete keimte, war das Kind in ihrem Leib nur dem Namen nach vom Blut der Pharaonen; denn sie hatte sich einen fremden Samen in den Schoß ergießen lassen. Und nachdem sie einmal die Grenzen überschritten, kannte sie keine Hemmungen mehr, sondern gab

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