Sinuhe der Ägypter
Streitwagen, mit denen unsere schwerfälligen, plumpen Fahrzeuge in ihrer Kunstlosigkeit keinen Vergleich aushalten. Auch sollt ihr all dem Gefasel der Flüchtlinge aus Mitani keinen Glauben schenken; denn aus ihrem Munde spricht nur die Bitterkeit, weil sie in ihrem Wankelmut aus der Heimat flohen und all ihr Hab und Gut aufgaben. Wir versichern, daß ihnen nichts Böses widerfahren sein würde, wenn sie in ihrem Lande geblieben wären, und wir raten ihnen immer noch, in die Heimat zurückzukehren und mit uns in Eintracht zu leben. Wir tragen ihnen den Unsinn, den sie über uns verbreitet haben, nicht nach, weil wir ihre Erbitterung gut verstehen. Aber auch ihr müßt einsehen, daß das Land Chatti eng ist und daß wir viele Kinder besitzen, weil der große Schubbiluliuma ungemein kinderliebend ist. Deshalb brauchen wir mehr Raum für unsere Kinder und neue Weiden für unser Vieh; solches fanden wir in Mitani, weil dort die Frauen nur ein, höchstens zwei Kinder gebären. Außerdem konnten wir die Unterdrückung und das Unrecht, die im Lande Mitani herrschten, nicht mitansehen; und, um die Wahrheit zu sagen, waren es die Mitani selbst, die uns zu Hilfe riefen, so daß wir als Befreier und keineswegs als Eroberer in ihr Land einzogen. Jetzt haben wir in Mitani genügend Raum für uns und unsere Kinder und unser Vieh und denken daher nicht einmal im Traum an weitere Eroberungen, weil wir ein friedliebendes Volk sind, das sich nur genügend Raum wünscht und, wenn es diesen erhalten hat, vollkommen zufrieden ist.«
Sie hoben ihre Becher mit gestrecktem Arm hoch und spendeten Ägypten reiches Lob. Die Frauen betrachteten gierig ihre geschmeidigen Nacken und Raubtieraugen, während jene erklärten: »Ägypten ist ein herrliches Land, und wir lieben es. Aber vielleicht gäbe es auch in unserem Land etwas zu sehen und zu lernen! Wir glauben, daß unser König gerne vornehmen Ägyptern, die uns wohlgesinnt sind und von unseren Sitten lernen möchten, die Reise in unser Land und den Aufenthalt dort bezahlen würde. Vielleicht würde er ihnen außerdem noch Geschenke machen; denn er liebt die Ägypter und vor allem die Kinder sehr. Da wir von diesen sprechen, so wünscht unser König, daß unsere Frauen viele Kinder gebären. Aber die schönen Frauen Ägyptens brauchen uns deshalb nicht zu fürchten; denn wir können uns wie gebildete Menschen mit ihnen ergötzen und werden sie nicht schwängern, sondern auf ägyptische Weise mit ihnen verkehren, ganz wie wir hier auf ägyptische Weise essen.«
So sagten sie den Vornehmen Achetatons eine Menge schöner Schmeicheleien, und niemand verbarg etwas vor ihnen. Mich aber dünkte, daß sie Leichengeruch nach Achetaton mitgebracht hatten, und ich entsann mich ihres kargen Landes und der an ihren Wegen auf Stangen aufgespießten Zauberer. Deshalb trauerte ich ihnen nicht nach, als sie unsere Stadt verließen.
Achetaton hatte sein Gesicht verändert. Seine Bewohner waren von Lebensgier befallen, und nie zuvor hatte man dort so viel gegessen und getrunken, getändelt und sich so fieberhaft belustigt wie zu jener Zeit. Von abends bis morgens brannten die Fackeln vor den Häusern der Vornehmen, von morgens bis abends ertönten Musik und Gelächter aus ihrem Innern. Dieses Fieber ergriff auch die Diener und Sklaven, so daß sie mitten am hellichten Tag betrunken durch die Straßen torkelten, ohne den Herren die geringste Ehrfurcht zu erweisen; nicht einmal Stockhiebe vermochten sie zu heilen. Aber diese Freude war eine krankhafte Freude, welche die Menschen nicht befriedigte, sondern sie wie ein verzehrendes Übel brannte; denn alle gaben sich ihr nur deshalb hin, weil sie nicht an die Zukunft denken wollten. Mitten in allem Jubel und Gesang und Rausch senkte sich öfters eine jähe Totenstille über Achetaton, so daß das Lachen in den Kehlen gefror und die Menschen sich ängstlich ansahen und die Worte, die sie auf der Zunge hatten, vergaßen. Auch verbreitete sich in Achetaton ein merkwürdiger, widerwärtiger und ekelerregender Geruch, dessen Ursache niemand kannte und den weder Wohlgerüche noch Weihrauch zu vertreiben vermochten. Dieser Gestank war frühmorgens wie abends beim Sonnenuntergang am deutlichsten spürbar; er stammte nicht vom Strom noch von den Fischteichen und auch nicht vom heiligen See Atons; er verschwand nicht einmal, als die Abflußleitungen aufgerissen und gesäubert wurden. Viele Leute behaupteten, es sei die Ausdünstung Ammons und seines Fluches.
Auch die
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