Sinuhe der Ägypter
sich jedem hin, der ihr im Augenblick behagte; sogar mit meinem Freund Thotmes hatte sie sich ergötzt. Sie brauchte auch nie lange nach einem Bettgefährten zu suchen; denn obgleich ihr Lebensfrühling verblüht war, war sie immer noch von königlicher Schönheit, und in ihrem Blick und ihrem spöttischen Lächeln lag etwas, was die Männer wie ein Zauber betörte, so daß sie sich nicht zu beherrschen vermochten. Absichtlich bestrickte sie die Getreuen des Pharao und gab sich ihnen hin, um sie Echnaton zu entfremden, damit sich der Kreis der schirmenden Liebe um ihn lichte und auflöse.
Sie besaß einen starken Willen und einen erschreckend scharfen Verstand. Gefährlich ist ein Weib, dessen böser Sinn mit Klugheit und Schönheit gepaart ist, am gefährlichsten aber, wenn es mit alledem noch die Macht einer königlichen Gemahlin vereint. Nofretete hatte sich selbst jahrelang harte Fesseln auferlegt. Zu viele Jahre hatte sie sich damit begnügt, zu lächeln und durch ihre Schönheit allein zu herrschen, hatte sich mit Schmuck und Wein, mit Gedichten und Schmeicheleien zufriedengegeben. Doch bei der Geburt der fünften Tochter zerbrach zweifellos etwas in ihr: sie glaubte, niemals einen Sohn zu bekommen, und legte dies Echnaton zur Last. Tatsächlich schien dieser Umstand naturwidrig und war wohl dazu angetan, einem Weibe die Sinne zu verwirren. Auch darf man nicht vergessen, daß das schwarze Blut des Priesters Eje in ihren Adern floß, das herrschsüchtige Blut eines Lügners, Betrügers und Ungerechten. Es war daher kein Wunder, daß es so weit mit ihr kam.
Zu ihrer Rechtfertigung muß auch hervorgehoben werden, daß in allen vorangegangenen Jahren kein böses Wort über sie gesagt werden konnte und auch keine ungünstigen Gerüchte über sie verbreitet worden waren; denn sie war treu gewesen und hatte Pharao Echnaton mit der ganzen Zärtlichkeit eines liebenden Weibes umgeben, seine Verrücktheiten verteidigt und an seine Gesichte geglaubt. Deshalb wunderten sich viele Menschen über ihre plötzliche Wandlung und betrachteten dies als ein Zeichen des Fluches, der wie ein erdrückender Schatten über Achetaton schwebte. Denn ihre Verderbnis war so groß, daß man behauptete, sie belustige sich sogar mit Dienern, Schardanen und Grabhauern, was ich aber nicht glauben kann. Wenn Menschen einmal einen Stoff zum Klatschen finden, blähen und bauschen sie ihn gerne auf, so auch in diesem Fall, obwohl ihre Schlechtigkeit an und für sich so groß war, daß sie keiner weiteren Übertreibung bedurfte.
Jedenfalls zog sich Pharao Echnaton in seine Einsamkeit zurück, seine Nahrung bestand wie diejenige der Armen aus Brot und Grütze und sein Trank aus dem Wasser des Nils; denn er wollte seinen Leib läutern, um wieder Klarheit zu gewinnen, und bildete sich ein, Fleisch und Wein hätten seinen Blick verdunkelt.
Von der Außenwelt kamen keine frohen Botschaften mehr nach Achetaton; hingegen sandte Aziru aus Syrien zahlreiche Lehmtafeln mit vielerlei Klagen an den Pharao. Seine Leute, schrieb er, wollten in ihre Heimat zurückkehren, um Schafe zu weiden, Viehzucht zu treiben, den Boden zu bebauen und sich mit ihren Frauen zu ergötzen, weil sie friedliebende Menschen seien. Aber aus den Wüsten Sinais drangen Räuberhorden unaufhörlich an den gesetzlichen Marksteinen vorbei verheerend in Syrien ein, und diese Räuber waren mit ägyptischen Waffen und Streitwagen ausgerüstet, von ägyptischen Offizieren geführt und bildeten daher eine stete Gefahr für Syrien, so daß Aziru seine Leute nicht entlassen konnte. Auch trat der Militärkommandant von Gaza äußerst unpassend und wider den Geist und Wortlaut des Friedensvertrages auf, indem er friedlichen Kaufleuten und Karawanen die Tore der Stadt verschlossen hielt und diejenigen, denen er den Zutritt zu Handelszwecken gestattete, nach eigenem schamlosem Gutdünken auswählte. Aziru brachte noch andere Klagen vor, die kein Ende nahmen. Er behauptete, ein anderer hätte an seiner Stelle schon längst die Geduld verloren, seine Langmut aber sei nur darum so groß, weil er den Frieden liebe. Doch müßten diese Mißstände ein Ende nehmen, sonst könne er nicht für die Folgen einstehen.
Auch Babylonien fühlte sich sehr beleidigt, weil Ägypten es auf den Getreidemärkten Syriens in scharfem Wettbewerb bedrängte. König Burnaburiasch war mit den Geschenken des Pharao durchaus nicht zufrieden, sondern betrachtete sie als ungenügend und zählte eine ganze Reihe Forderungen
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