Sinuhe der Ägypter
auf, die der Pharao zum mindesten erfüllen mußte, falls ihm daran gelegen war, die Freundschaft mit Burnaburiasch aufrechtzuerhalten. Babyloniens ständiger Gesandter in Achetaton zuckte die Achseln, machte abwehrende Gebärden mit den Händen, raufte sich den Bart und sagte: »Mein Herr gleicht einem unruhigen Löwen, der sich in seiner Höhle erhebt und die Nüstern bläht, um den Wind zu prüfen. Er hat seine Hoffnung auf Ägypten gesetzt. Wenn dieses Land aber wirklich so arm ist und ihm nicht genügend Gold senden kann, so daß er kräftige Männer aus den Barbarenländern für seine Armee besolden und Streitwagen bauen kann, weiß ich nicht, was geschehen wird. Mit einem starken, reichen Ägypten will mein Herr immer befreundet sein. Ein solches Bündnis würde den Frieden in der Welt sichern, weil Ägypten und Babylonien reich genug sind, um keinen Krieg führen zu müssen, und um ihrer Reichtümer willen alles beim alten belassen wollen. Die Freundschaft eines schwachen, verarmten Ägypten hingegen hat keinen Wert für meinen Herrn, sondern bedeutet ihm vielmehr eine Last. Ich muß hervorheben, daß mein Herrscher äußerst erstaunt und entsetzt war, als Ägypten aus Schwäche auf Syrien verzichtete. Ein jeder ist sich selbst der Nächste, und Babylonien muß an sich denken. Obgleich ich Ägypten sehr liebe und ihm alles Gute wünsche, bedeutet mir der Vorteil meines Landes doch mehr als derjenige Ägyptens, und es sollte mich nicht wundern, wenn ich in Bälde von hier nach Babylonien abberufen würde, was mir allerdings leid täte.« So sprach er, und kein vernünftiger Mensch konnte die Weisheit seiner Worte bestreiten.
Andererseits traf in Achetaton eine hetitische Gesandtschaft ein, zu der zahlreiche vornehme Hauptleute gehörten. Diese Leute kamen angeblich, um die alte Freundschaft zwischen Ägypten und dem Lande Chatti zu festigen und um gleichzeitig die ägyptischen Sitten, über die sie so viel Gutes gehört hatten, und die ägyptische Armee, von deren Drill und Bewaffnung sie vieles lernen könnten, kennenzulernen. Sie traten gefällig, aber stramm auf und brachten den vornehmen Höflingen große Geschenke. Dem jungen Thut, dem Schwiegersohn des Pharao, schenkten sie unter anderem ein Messer aus einem bläulichen Metall, das schärfer und stärker als alle anderen Messer war und das Entzücken des Jungen wachrief, so daß dieser nicht wußte, welchen Dienst er ihnen erweisen konnte. Ich war der einzige Mensch in Achetaton, der schon ein solches Messer besaß – das ich, wie ich bereits berichtet, yon einem hetitischen Hafenaufseher, den ich geheilt, erhalten hatte. Ich riet Thut, das seinige auf syrische Art mit Gold und Silber beschlagen zu lassen, wie ich es in Simyra mit dem meinigen getan hatte. Das Messer verwandelte sich dadurch in eine blitzende Prachtwaffe, und Thut war so begeistert, daß er erklärte, er wolle es dereinst mit ins Grab nehmen. Er war nämlich ein schwacher, kränklicher Junge, der mehr als seine Altersgenossen an den Tod dachte.
Die Hetiter-Hauptleute waren wirklich angenehme, gebildete Menschen, und auf ihren Brustschilden und Mänteln glänzten Bilder von Doppeläxten und beflügelten Sonnen. Ihre großen stattlichen Nasen, willensstarke Kinne und ungezähmten Raubtieraugen betörten die Frauen des Hofes so sehr, weil sie, wie alle Frauen, das Neue liebten. Die Fremden machten sich daher in Achetaton viele Leute zu Freunden und wurden vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen in den Palästen der Edelleute gefeiert, bis sie völlig erschöpft waren und über Kopfschmerzen klagten. Lächelnd sagten sie:
»Wir wissen wohl, daß über unser Land viele schreckliche Dinge erzählt werden, die von neidischen Nachbarn über uns erdichtet wurden. Deshalb freut es uns sehr, euch persönlich beweisen zu können, daß wir gebildete Leute sind, von denen viele des Lesens und Schreibens kundig sind. Auch verzehren wir kein rohes Fleisch, noch trinken wir Kinderblut, wie man behauptet, sondern essen sowohl auf syrische als auf ägyptische Art zubereitete Speisen. Außerdem sind wir friedliche Leute und suchen keinen Streit, sondern bringen euch allerlei Geschenke, ohne Gegengeschenke zu erwarten. Wir suchen bloß Aufklärung, die uns bei unserem Streben, das Wissen und die Bildung unseres Volkes immer mehr zu fördern, von Nutzen sein kann. Besonders interessiert es uns, wie eure Soldaten die Waffen gebrauchen, und ebenso bewundern wir eure zierlichen vergoldeten
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