Sinuhe der Ägypter
seinen Boden zurück, damit er ihn besäe; denn das Volk getraut sich nicht, ihn zu bebauen. Dein eigener Boden ist unbesät geblieben, weil das Volk auch ihn vom Fluch betroffen wähnt. Suche mit Ammon zu einem Vergleich zu kommen, und zwar beizeiten, sonst wasche ich mir die Hände und stehe nicht mehr für die Folgen ein.«
Haremhab aber sprach: »Burnaburiasch hat sich Frieden von den Hetitern erkauft und Aziru sich ihrem Druck ergeben und ihnen seine Städte geöffnet und sich mit ihnen verbündet. Die Menge ihrer Soldaten in Syrien wetteifert mit den Wassertropfen im Meer, und ihre Streitwagen sind zahlreich wie die Sterne am Himmel: das bedeutet das Ende für Ägypten. Denn in ihrer Schlauheit haben sie, die keine Flotte besitzen, in Krügen Wasser in die Wüste hinausgeschafft. Unermeßliche Wassermengen haben sie auf diese Weise mit ihren Gefäßen in die Wüste gebracht, und wenn der Frühling kommt, kann sogar eine große Armee sie durchziehen, ohne verdursten zu müssen. Einen großen Teil dieser Krüge haben sie in Ägypten aufgekauft; die Händler, die sie ihnen in ihrer Habgier verkauften, haben sich mit eigenen Händen ihre Grube gegraben! Die Streitwagen Azirus und der Hetiter haben voll Ungeduld gewaltsame Erkundungsfahrten nach Tanis und auf ägyptisches Gebiet unternommen und somit den Frieden gebrochen. Allerdings handelt es sich dabei um unbedeutende Grenzverletzungen, und der von ihnen verursachte Schaden ist geringfügig; aber ich habe im Volk die Kunde von furchtbaren Zerstörungen und von der Grausamkeit der Hetiter verbreiten lassen und es dadurch für den Krieg reif gemacht. Noch ist es Zeit, Pharao Echnaton! Laß in die Hörner stoßen und die Wimpel flattern und erkläre den Krieg! Laß alle wehrfähigen Männer auf die Übungsplätze einberufen, laß alles Kupfer im Lande für Speere und Pfeilspitzen sammeln, und deine Macht soll gerettet werden! Ich werde sie dir erhalten, Ägypten einen unvergleichlichen Sieg schenken und Syrien für dich zurückerobern. Das alles kann ich durchführen, sofern sämtliche Mittel und Getreidevorräte Ägyptens der Armee zur Verfügung gestellt werden; denn der Hunger wird selbst aus den Feiglingen Krieger machen. Ob Ammon oder Aton, ist ganz gleichgültig! Wenn das Volk kämpfen muß, wird es Ammon vergessen, seine Unruhe wird sich nach außen entladen und ein siegreicher Feldzug deine Macht festigen. Ich verspreche dir, Echnaton, einen siegreichen Ausgang! Denn ich bin Haremhab, der Sohn des Falken, und zu großen Taten geschaffen. Ha, dies ist mein Augenblick, auf den ich mein Leben lang gewartet habe!«
Als Eje solches vernahm, fiel er eilends ein: »Pharao Echnaton, mein lieber Sohn, schenke Haremhab kein Gehör! Falschheit spricht durch seine Zunge, und er giert nach deiner Macht! Geh meinetwegen einen Vergleich mit den Ammonpriestern ein und erkläre den Krieg; aber mache nicht Haremhab zum Befehlshaber, sondern irgendeinen alten, erprobten Krieger, der aus den Schriften die Kriegskunst der großen Pharaonenzeit erlernt hat und auf den du dich unbedingt verlassen kannst.«
Haremhab sagte: »Wenn wir nicht vor dem Pharao stünden, Priester Eje, würde ich deine dreckige Schnauze mit der Faust zum Schweigen bringen. Du mißt mich mit deinem eigenen Maß, und der Verrat spricht durch deine eigene Zunge; denn du hast bereits heimlich mit den Ammonpriestern verhandelt und hinter dem Rücken des Pharao einen Vergleich mit ihnen getroffen. Ich aber kann den Jüngling nicht verraten, dessen Schwäche ich einst bei den Bergen Thebens in der Wüste mit meinem Achseltuch bedeckte. Mein Ziel heißt Ägyptens Größe, und ich allein vermag das Land zu retten.«
Pharao Echnaton fragte sie: »Habt ihr gesprochen?« Und sie antworteten wie aus einem Mund: »Wir haben gesprochen.« Da sagte der Pharao: »Ich muß wachen und beten, bevor ich einen Entschluß fasse. Für morgen aber ruft das Volk zusammen, alle, die mich lieben, hoch und niedrig, Herren und Diener! Selbst die Grabhauer sollt ihr aus ihrer Stadt herrufen; denn zu ihnen allen als meinem Volk will ich sprechen und ihnen meinen Entschluß verkünden.«
Sie taten, wie er befohlen, und riefen das Volk für den folgenden Tag zusammen. Eje im Glauben, der Pharao werde sich mit Ammon aussöhnen, und Haremhab in der Überzeugung, er werde Aziru und den Hetitern den Krieg erklären. Die ganze Nacht aber wachte und betete der Pharao, indem er rastlos durch seine Gemächer wanderte, ohne einen Bissen zu
Weitere Kostenlose Bücher