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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Bildnisse der falschen Götter zu stürzen und ihre Namen aus allen Inschriften zu tilgen. Kaptah nickte verständnisvoll und meinte: »Euer Plan mag klug und dem Volke wohlgefällig sein. Nur müßt ihr euch in acht nehmen, nicht erkannt zu werden! Viele Wechselfälle können eintreffen, und wenn die ›Hörner‹ wieder zur Macht gelangen, werden sie sich rächen. Ich glaube nämlich nicht, daß die Geschichte lange währen wird. Denn wo wollen die Sklaven das zum Leben nötige Getreide hernehmen? Außerdem haben sie in ihrer Zügellosigkeit Dinge getan, die sogar die Anhänger Atons erschreckten und diese bewogen, sich in ›Hörner‹ zurückzuverwandeln, um die Ordnung wiederherzustellen. Doch ist der Befehl Pharao Echnatons, die Sklaven freizulassen, sehr weise und weitsichtig, weil er mir erlaubt, alle arbeitsunfähigen und alten Sklaven fortzuschicken, die, ohne mir Nutzen zu bringen, von meinem teuren Getreide und Öl zehren. Ich brauche auch nicht mehr mit großen Kosten Sklaven zu beherbergen und zu verköstigen, sondern kann sie nach Belieben für ihre Arbeit entlohnen und entlassen, bin auch nicht mehr an sie gebunden, sondern kann mir die Arbeiter selbst aussuchen und ihnen bezahlen, wieviel mir beliebt. Das Getreide ist heute teurer denn je; wenn sie aus ihrem Rausch erwachen, werden sie einander die Arbeit bei mir abjagen und mich billiger zu stehen kommen als die einstigen Sklaven, weil sie zu jedem Preis arbeiten werden, um Brot zu erhalten. Wenn früher ein Sklave stahl, gehörte das zum guten Brauch, und der Herr konnte ihn höchstens auspeitschen; wenn aber ein Angestellter stiehlt, wird er verurteilt, den Diebstahl durch Arbeit wieder gutzumachen. Deshalb preise ich den Pharao seiner Weisheit wegen sehr und glaube, daß auch andere es tun werden, sobald sie sich alles überlegt und ihren eigenen Vorteil erkannt haben.«
    »Du sprachst von Getreide, Kaptah«, sagte ich. »Wisse, daß ich Haremhab die Hälfte unseres Kornvorrates versprochen habe, damit er gegen die Hetiter Krieg führen könne. Du mußt diese Menge unverzüglich nach Tanis verschiffen. Die andere Hälfte unseres Getreides aber sollst du zu Mehl mahlen und zu Brot backen und an die Hungernden aller Städte und Dörfer, wo unser Getreide lagert, verteilen lassen. Bei der Verteilung des Brotes an das Volk dürfen deine Diener aber keine Bezahlung entgegennehmen, sondern sollen sagen: ›Das ist Atons Brot! Nehmt und eßt in Atons Namen, und segnet den Pharao und seinen Gott!‹«
    Als Kaptah diese Worte vernahm, zerriß er sich die Kleider, weil es diejenigen eines Sklaven waren und daher kein großer Schaden entstand. Auch raufte er sich mit den Händen das Haar, so daß daraus der Staub emporwirbelte, heulte bitterlich und sagte: »Du wirst an den Bettelstab kommen, Herr! Wo soll ich dann meinen Gewinn holen? Die Verrücktheit des Pharao hat dich angesteckt, du stehst auf dem Kopf und läufst rückwärts. Weh mir Elendem, daß ich diesen Tag erleben mußte! Selbst der Skarabäus wird uns nicht mehr helfen können; denn niemand wird dich für die Brotverteilung segnen. Und der verdammte Haremhab beantwortet meine Mahnbriefe in frechem Ton und fordert mich auf, das Gold, das ich ihm in deinem Namen geliehen habe, selbst abzuholen. Er ist ärger als ein Räuber, dein Freund Haremhab; denn ein Räuber nimmt seine Beute, Haremhab aber verspricht, Zinsen zu zahlen, und quält seine Gläubiger mit eitler Hoffnung, bis ihnen schließlich vor Ärger die Leber platzt. An deinen Augen, Herr, aber sehe ich, daß du es ernst meinst, und deshalb hilft mein Klagen nichts, sondern ich muß deinen Willen ausführen, obwohl du dadurch ein Bettler wirst.«
    Wir verließen Kaptah, der in seiner Schenke den Sklaven schöntat und in den Hinterzimmern mit den Trägern um heilige Gefäße und andere Kostbarkeiten feilschte, die sie aus den Tempeln gestohlen hatten. Alle anständigen Menschen hielten sich hinter verschlossenen Türen in ihren Häusern auf, die Straßen waren öde und verlassen, und einige Tempel, in denen sich die Priester verschanzt hatten, waren angezündet worden und brannten immer noch. Wir gingen in die geplünderten Tempel, um die Namen der Götter aus den heiligen Inschriften zu tilgen, und fanden andere Getreue des Pharao bei der gleichen Beschäftigung. So eifrig hieben wir mit unseren Äxten und Hämmern ein, daß die Funken stoben. Wir trachteten, uns dabei einzubilden, daß wir eine wichtige Arbeit verrichteten, indem unsere

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