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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Kaufe daher Waffen, Speere und Pfeile und soviel Keulen, als du auftreiben kannst; locke die Wächter mit Gold auf unsere Seite, teile die Waffen an die Sklaven und Träger des Hafens aus und überrede die Wächter, sie und den Pharao zu verteidigen! Ich weiß nicht, Kaptah, was aus dem allen werden soll – aber noch nie zuvor hatte die Welt eine solche Gelegenheit, alles zu erneuern und anders als früher zu gestalten. Wenn einmal der Boden und die Reichtümer und Häuser der Reichen unter die Armen verteilt und ihre Gärten Spielplätze für die Kinder der Sklaven sein werden, wird sich das Volk gewiß beruhigen und ein jeder an seinem Besitz festhalten und freiwillig arbeiten. Alles wird besser werden als zuvor!«
    Aber Kaptah begann zu zittern und sagte: »Herr, ich denke nicht daran, in meinen alten Tagen wieder mit den Händen zu arbeiten. Man zwingt bereits die Vornehmen mit Stockhieben, Mühlsteine zu drehen, und nötigt die Frauen und Töchter der Reichen, die Sklaven und Träger in den Freudenhäusern zu bedienen. Das alles ist nicht gut, sondern böse. Mein Herr, Sinuhe, verlange nicht von mir, daß ich diesen Weg einschlage! Beim bloßen Gedanken daran entsinne ich mich eines dunklen Hauses, in das ich dir einst folgte; und obgleich ich dir geschworen habe, nicht mehr davon zu reden, muß ich es jetzt tun. Herr, wieder einmal hast du beschlossen, ein dunkles Haus zu betreten, ohne zu wissen, was deiner dort harrt! Vielleicht wirst du dort ein verwesendes Ungeheuer und einen stinkenden Tod finden. Nach allem zu urteilen, was wir bereits gesehen haben, ist der Gott Pharao Echnatons ebenso grausam wie der Gott Kretas und zwingt die besten und begabtesten Männer Ägyptens, vor Stieren zu tanzen und ein dunkles Haus zu betreten, aus dem es keine Rückkehr gibt. Trotzdem gehen sie im Vertrauen auf ihre Kunst jubelnd und tanzend hinein, im Glauben, dort die ganze Seligkeit, die dem Lande des Westens vorbehalten ist, zu finden. Nein, Herr, ein zweitesmal folge ich dir nicht in das Haus des Minotaurus!«
    Er weinte und winselte nicht, wie er früher zu tun pflegte, sondern sprach ernsthaft mit mir, beschwor mich, meinen Vorsatz aufzugeben, und schloß mit den Worten: »Wenn du weder an dich selbst noch an mich denken willst, so erinnere dich wenigstens Merits und des kleinen Thoths, die dich lieben! Bringe sie fort von hier an einen sicheren Ort; denn wenn Ammons Mühlen zu mahlen beginnen, ist hier kein Mensch mehr seines Lebens sicher!«
    Doch meine Erregung hatte mich geblendet, seine Warnungen schienen mir unsinnig, und ich entgegnete überlegen: »Wer würde einer Frau und einem kleinen Jungen etwas antun? In meinem Haus sind sie in Sicherheit; denn Aton siegt, weil er siegen muß! Sonst wäre das Leben nicht mehr lebenswert. Das Volk hat ja Verstand genug, zu wissen, daß der Pharao nur sein Bestes will. Wie wäre es also möglich, daß das Volk lieber zur Macht der Furcht und der Finsternis zurückkehrte? Das dunkle Haus, von dem du sprichst, gehört Ammon und nicht Aton. Einige bestochene Wächter und wankelmütige Edelleute vermögen Aton nicht zu stürzen, wenn das ganze Volk hinter ihm steht.«
    Kaptah meinte: »Was ich zu sagen hatte, habe ich gesagt und wiederhole es daher nicht mehr. Zwar schäumt mir die Galle vor Lust, dir ein kleines Geheimnis zu verraten; aber ich darf es leider nicht tun, und vielleicht würde es dich in deinem Irrsinn nicht einmal beeinflussen. Deshalb, Herr, darfst du mich hernach nicht schelten, wenn du dir Gesicht und Knie an Steinen blutig schürfst, auch nicht, wenn dich das Ungeheuer verschlucken sollte! Mit mir verhält es sich anders; denn ich bin nur ein ehemaliger Sklave und besitze keine Kinder, die meinen Tod beweinen könnten. Darum, Herr, folge ich dir auch auf diesem letzten Weg, obgleich ich weiß, daß alles vergeblich geschieht. Also laß uns wie einst das dunkle Haus gemeinsam betreten, Herr, und ich werde dir folgen; doch ich will mit deiner Erlaubnis einen Krug Wein mitnehmen.«
    Von diesem Tag an begann Kaptah zu trinken und tat es vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen. Aber mitten in seinem Rausch führte er meine Befehle aus, ließ seine Diener Waffen um die blauen und roten Stangen im Hafen verteilen, berief die Befehlshaber der Wache heimlich in den »Krokodilschwanz« und bestach sie, mit den Armen gegen die Reichen zu gehen. In seiner Trunksucht unterschied sich Kaptah übrigens nicht besonders von anderen Leuten; denn auch alle

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