Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
Hämmer einem neuen Zeitalter in Ägypten Bahn brachen, und wir schlugen drauflos, bis uns die Handgelenke steif wurden und die Hände schmerzten. Tag für Tag führten wir die gleiche Arbeit aus, und ich kam weder zum Schlafen noch zum Essen, denn unser Tätigkeitsfeld war unbegrenzt. Zuweilen drangen von Priestern geführte Scharen frommer Leute in die Tempel ein, um uns an unserem Werk zu hindern, mit Steinen zu bewerfen und mit Stöcken zu bedrohen; wir aber vertrieben sie mit unseren Hämmern, und in seiner Erregung zertrümmerte Thotmes eines Tages einem alten Priester, der seinen Gott schützen wollte, das Haupt mit dem Hammer. Denn mit jedem Tag wuchs unser Eifer, und wir arbeiteten, um die Augen vor den Geschehnissen rund um uns herum zu verschließen.
    Das Volk litt nämlich Not und Hunger. Nachdem die Sklaven und Träger eine Zeitlang über ihre Freiheit gejubelt, errichteten sie im Hafen blaue und rote Stangen, versammelten sich darum und bildeten besondere Scharen, die auf Raubzüge in die Häuser der »Hörner« und der Vornehmen auszogen, um deren Getreide und Ölvorräte und Reichtümer unter das Volk zu verteilen. Die Wächter des Pharao konnten sie nicht daran hindern. Kaptah stellte zwar Leute zum Getreidemahlen und Brotbacken an, aber das Volk raubte seinen Dienern das Brot und erklärte: »Dieses Brot ist den Armen gestohlen worden! Es ist daher nur gerecht, es unter diese zu verteilen.« Und kein Mensch segnete meinen Namen wegen des Getreides, das ich hergab, obwohl ich dadurch in einem einzigen Mondumlauf völlig verarmte.
    Nachdem vierzig Tage und vierzig Nächte auf diese Weise vergangen waren, die Verwirrungen in Theben immer mehr zunahmen, und die Männer, die früher Gold abgewogen hatten, jetzt bettelnd an den Straßenecken standen und ihre Frauen allen Schmuck an die Sklaven verkauften, um den Kindern Brot verschaffen zu können, erschien Kaptah eines Nachts in meinem Haus und sagte: »Herr, es ist höchste Zeit, daß du die Flucht ergreifst! Binnen kurzem wird das Reich Atons fallen, und ich glaube nicht, daß ein einziger rechtschaffener Mensch es bedauern wird. Ordnung und Gesetz werden von neuem herrschen und auch die alten Götter wiederkehren; vorher aber wird man die Krokodile füttern – und dies reichlicher als je zuvor! Die Priester wollen Ägypten von allem bösen Blut säubern.«
    Ich fragte ihn: »Woher weißt du denn das?«
    Er erklärte harmlos: »Bin ich nicht ohne Unterlaß ein getreues ›Horn‹ gewesen, das insgeheim Ammon angebetet hat? Auch habe ich den Priestern großzügig Gold geliehen; denn sie zahlen ein Viertel, ja sogar die Hälfte an Zinsen und verpfänden den Boden Ammons für Gold. Zur Rettung seines Lebens hat Eje eine Vereinbarung mit den Priestern getroffen, die somit die Wächter auf ihrer Seite haben. Alle reichen und vornehmen Ägypter haben sich wieder unter Ammons Schutz gestellt, und die Priester haben Neger aus dem Lande Kusch hergerufen und die Schardanen, die bisher plündernd durchs Land gezogen sind, gesammelt und besoldet. Wahrlich, Sinuhe, bald wird die Mühle sich zu drehen und die Getreidekörner zu zermalmen beginnen; aber das Brot, das aus dem Mehl gebacken werden soll, wird Ammons und nicht Atons Brot sein. Die Götter kehren zurück, die alte Ordnung wird von neuem herrschen und alles wieder wie früher sein. Ammon sei gelobt! Denn ich habe diese ganzen Wirrnisse satt, wenn sie mich auch sehr bereichert haben.«
    Ober seine Worte empört, rief ich aus: »Pharao Echnaton wird niemals darauf eingehen!« Mit schlauem Lächeln rieb sich Kaptah das blinde Auge mit dem Zeigefinger und sprach: »Er wird nicht mehr um Erlaubnis gefragt werden. Die Stadt Achetaton ist bereits dem Untergang geweiht, und jeder, der dort bleibt, wird den Tod erleiden. Sobald die Aufständischen die Macht in Händen haben, werden sie alle dorthin führenden Wege und auch den Strom sperren, um die Bewohner Achetatons auszuhungern. Denn sie fordern die Rückkehr des Pharao nach Theben und seine Unterwerfung unter Ammon.«
    Meine Gedanken klärten sich: Vor mir sah ich Pharao Echnatons Antlitz und seine Augen, die eine Enttäuschung spiegelten, welche bitterer war als der Tod. Deshalb sagte ich: »Diese Schandtat darf nie geschehen, Kaptah! Du und ich sind viele Straßen zusammen gewandert. Darum, Kaptah, wollen wir auch diesen Weg gemeinsam bis zum Ende gehen! Wenn ich auch durch die Verteilung meines Getreides arm geworden bin, bist du doch noch immer reich.

Weitere Kostenlose Bücher