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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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nicht zu lügen! Wohl ist seine Verrücktheit groß, und ich glaube nicht, daß sie uns Gutes bringen wird; doch ich liebe ihn selbst in seinem Wahnsinn und bleibe treu an seiner Seite, weil ich ihm meinen Eid geschworen und seine Schwäche einst mit meinem Achseltuch bedeckt habe. Dennoch ist ein Funken Vernunft in seiner Torheit. Denn wenn er nur alle alten Götter gestürzt hätte, würde das einen Bruderkrieg bedeutet haben; aber indem er auch die Sklaven der Mühlen und Felder befreit, verdirbt er den Priestern das Spiel und hat das Volk auf seiner Seite, obwohl all das eine noch größere Verwirrung als bisher mit sich ziehen wird. Doch kann mir alles andere gleichgültig sein, wenn du mir nur sagen willst, Pharao Echnaton, was wir mit den Hetitern anfangen sollen.«
    Die Hand des Pharao Echnaton ruhte schlaff auf seinem Knie, und er gab keine Antwort. Haremhab fuhr fort: »Gib mir Gold und Getreide, Waffen und Streitwagen, Pferde und eine Vollmacht, Krieger zu besolden und die Wächter aus allen Städten in das Untere Reich einzuberufen – und ich glaube, es wird mir gelingen, den Angriff der Hetiter abzuwehren.«
    Da richtete der Pharao seine blutunterlaufenen Augen auf ihn, die Glut in seinem Gesicht war erloschen, und er sagte still: »Ich verbiete dir, Haremhab, den Krieg zu erklären. Wenn aber das Volk die schwarze Erde verteidigen will, kann ich es nicht daran hindern. Ich besitze weder Getreide noch Gold, von Waffen gar nicht zu reden, und würde sie dir auch nicht geben; denn ich will nicht Böses mit Bösem vergelten. Im übrigen kannst du die Verteidigung in Tanis nach Belieben anordnen. Aber vergieße kein Blut und verteidige dich nur, wenn man dich angreift!«
    »Dein Wille geschehe«, sagte Haremhab. »Das ist alles der gleiche Dreck. Auf deinen Befehl werde ich also in Tanis umkommen; denn ohne Getreide und Gold kann sich auch die geschickteste Armee nicht lange verteidigen. Aber ich pfeife auf jedes Zögern, Pharao Echnaton, und werde mich nach meinem eigenen Gutdünken zur Wehr setzen. Leb wohl!«
    Er entfernte sich, und Eje folgte ihm, so daß ich allein mit dem Pharao zurückblieb. Er betrachtete mich aus unsäglich müden Augen und sagte: »Nachdem ich gesprochen, hat die Kraft mich verlassen. Dennoch fühle ich mich auch in meiner Schwäche noch glücklich. Was gedenkst du zu tun, Sinuhe?«
    Seine Worte überraschten mich, und ich betrachtete ihn verblüfft. Mit müdem Lächeln fragte er: »Liebst du mich, Sinuhe?« Nachdem ich gestanden, daß ich ihn sogar in seinem Irrsinn noch liebe, sprach er: »Wenn du mich liebst, Sinuhe, weißt du schon, was du zu tun hast.«
    Mein Inneres bäumte sich gegen seinen Willen auf, obwohl ich im Grunde genau wußte, was er von mir verlangte. Schließlich sagte ich ärgerlich: »Ich hatte geglaubt, du würdest mich als Arzt brauchen; doch wenn dem nicht so ist, ziehe ich meines Weges. Zwar bin ich ein schlechter Bilderstürmer, und meine Arme sind zu schwach, um einen Hammer zu führen; doch dein Wille geschehe! Das Volk wird mir allerdings den Schädel mit Steinen einschlagen, die Haut abziehen und meinen Körper mit dem Kopf nach unten an die Mauer hängen; aber das wird dich kaum rühren. Ich reise also nach Theben, wo es viele Tempel gibt und wo mich die Menschen kennen.«
    Er gab mir keine Antwort mehr, und ich verließ ihn zornig, weil mich das ganze Unternehmen heller Wahnsinn dünkte.
    Am Tag darauf begab sich Haremhab an Bord seines Schiffes, um nach Memphis und von dort nach Tanis zu reisen. Vor seiner Abfahrt versprach ich ihm, in Theben so viel Gold wie möglich zu beschaffen und ihm auch die Hälfte meines Getreides zu senden. Die andere Hälfte gedachte ich für meine eigenen Zwecke zu verwenden. Vielleicht veranlaßte mich gerade meine Schwäche zu dem Irrtum, der mein ganzes Leben bestimmen sollte, indem ich Echnaton die eine und Haremhab die andere Hälfte, keinem von beiden aber alles gab.

    3

    Thotmes und ich fuhren nach Theben. Schon weit vor der Stadt sahen wir Leichen im Strom treiben. Aufgedunsen und auf den Fluten schaukelnd, kamen sie den Strom herabgeschwommen: aus hohen und niederen Ständen, Priester mit glattrasiertem Kopf, Wächter und Sklaven; an ihren Haaren, ihren Kleidern und ihrer Haut erkannte man, was ein jeder von ihnen zu Lebzeiten gewesen – bis die Leichen schwarz wurden, sich zersetzten oder von Krokodilen verschlungen wurden. Die Krokodile brauchten nicht flußaufwärts nach Theben zu schwimmen, um

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