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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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goldenen Becher mit Wein, wobei ich feststellte, daß es geruchlos war. Ich nahm den Becher, und wir begaben uns zu dritt in das Gemach Pharao Echnatons. Er hatte sich die Kronen vom Haupt genommen; neben diesen lagen die Peitsche und der Krummstab, während er selbst mit fahlem Gesicht und geröteten Augen auf seinem Lager ruhte. Eje betastete neugierig die Kronen, wog die goldene Peitsche in der Hand und sprach: »Pharao Echnaton! Dein Freund Sinuhe hat dir ein gutes Heilmittel bereitet. Trink, damit du gesund wirst; dann können wir morgen wieder über alles Unangenehme sprechen!«
    Der Pharao setzte sich im Bett auf, nahm den Becher in die Hand und betrachtete uns der Reihe nach, wobei mich sein müder Blick so durchdringend ansah, daß mir ein Schauer über den Rücken lief. Dann sagte er zu mir: »Eines kranken Tieres erbarmt man sich mit einem Keulenschlag. Erbarmst du dich meiner, Sinuhe? Wenn dem so ist, danke ich dir dafür; denn die Enttäuschung schmeckt mir bitterer als der Tod, und der Tod dünkt mich heute süßer als Myrrhenduft.«
    »Trink, Pharao Echnaton!« bat ich ihn. »Trink, deines Atons wegen!«
    Auch Haremhab sagte: »Trink, Echnaton, mein Freund! Trink, auf daß Ägypten gerettet werde! Mit meinem Achseltuch will ich deine Schwäche decken, wie einst in der Wüste vor Theben.«
    Pharao Echnaton führte den Becher zum Mund; aber seine Hand zitterte so sehr, daß ihm der Wein über das Kinn rann. Da nahm er den Becher mit beiden Händen, leerte ihn, lehnte sich dann im Bett zurück und legte den Nacken auf die Genickstütze. Wir drei beobachteten ihn lange. Er richtete kein Wort mehr an uns, sondern starrte nur mit trüben, blutunterlaufenen Augen in die Welt seiner Gesichte. Nach einer Weile lief ein Zittern durch seinen Körper, als friere er, und Haremhab nahm sich das Achseltuch ab, um es über ihn zu breiten, während Eje nach der Doppelkrone griff und sich diese mit beiden Händen versuchsweise aufsetzte.
    So starb Pharao Echnaton, nachdem ich ihm den Tod gereicht und er ihn aus meiner Hand entgegengenommen. Weshalb ich es tat, weiß ich nicht; denn der Mensch kennt sein eigenes Herz nicht. Doch glaube ich, daß ich es weniger Ägyptens als Merits und meines kleinen Sohnes Thoth wegen tat. Und ich tat es weniger aus Liebe zu ihm als aus Haß und Bitterkeit und all des Bösen wegen, das er zustande gebracht hatte. Vor allem aber tat ich es zweifellos, weil in den Sternen geschrieben stand, daß ich mein Maß voll bekommen sollte. Als ich ihn sterben sah, glaubte ich, mein Maß sei endlich voll. Aber der Mensch weiß über sein eigenes Herz nicht Bescheid; denn dieses ist unersättlicher als ein Krokodil im Strom.
    Nachdem wir Echnatons Tod festgestellt hatten, verließen wir das goldene Haus und verboten den Dienern, ihn zu stören, weil er schlafe. Erst am folgenden Morgen fanden die Diener seine Leiche und hüben zu jammern an: Wehklagen und Schluchzen erfüllten das goldene Haus, obwohl, wie ich glaube, sein Tod für viele Leute eine Erleichterung bedeutete. Königin Nofretete aber stand trockenen Auges mit einem Gesicht, dessen Ausdruck niemand zu enträtseln vermochte, an seinem Lager. Doch berührte sie mit ihren schönen Händen die mageren Finger Pharao Echnatons und streichelte ihm die Wangen, während ich pflichtgemäß für die Überführung der Leiche in das Haus des Todes sorgte. Dieses und das goldene Haus waren nämlich die einzigen Gebäude Achetatons, in denen sich noch Leben regte. So geleitete ich Pharao Echnaton in das Haus des Todes und vertraute seinen Leichnam den Leichenwäschern und Balsamierern an, damit er für die Ewigkeit hergerichtet werde.
    Nach Gesetz und gutem Brauch war der junge Sekenre jetzt Pharao. Aber er war außer sich vor Trauer und starrte um sich, ohne ein vernünftiges Wort äußern zu können; denn er war gewohnt, alle seine Gedanken von Pharao Echnaton zu übernehmen. Eje und Haremhab redeten ihm zu und erklärten ihm, daß er, falls er die Kronen behalten wolle, sofort nach Theben übersiedeln und Amnion Opfer bringen müsse. Aber er schenkte ihnen keine Beachtung; denn er war ein kindischer Junge, der mit offenen Augen träumte. Deshalb sprach er: »Ich will allen Völkern das Licht Atons verkünden und meinem Vater Echnaton einen Tempel errichten lassen, um ihn wie einen Gott darin zu verehren; denn er war nicht wie andere Menschen.«
    Über das kindische Benehmen Sekenres wird erzählt, daß er, als die Wachtruppen in guter Ordnung aus der

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