Sinuhe der Ägypter
Getreuen, alle, die ich geliebt?«
Ich antwortete: »Deine schöne Gemahlin Nofretete ist noch bei dir. Auch deine Töchter sind da. Der junge Sekenre sticht Fische aus dem Strom, und Thut spielt wie früher Begräbnis mit seinen Puppen. Was gehen dich die übrigen an?«
Er fragte: »Wo ist mein Freund Thotmes, der auch dein Freund war und den ich liebte? Wo weilt er, der Künstler, dessen Hände dem Stein ewiges Leben verliehen?«
»Deinetwegen ist er gestorben, Pharao Echnaton«, erklärte ich. »Die Neger spießten ihn auf die Speere und warfen seine Leiche den Krokodilen zum Fraß in den Strom, weil er dir treu geblieben war. Vielleicht hat er auf dein Lager gespuckt; aber denke nicht mehr daran, jetzt, da der Schakal in seiner leeren Werkstatt bellt, seine Schüler geflohen und seine Werkzeuge und Werke, die er für die Ewigkeit schaffen wollte, in alle Winde zerstreut sind!«
Pharao Echnaton hob die Hand, als wollte er sich Spinnetze aus dem Gesicht wischen. Alsdann zählte er die Namen einer Reihe von Leuten, die ihm lieb gewesen, auf, und von dem einen oder andern sagte ich: »Er starb deinetwegen, Pharao Echnaton.« Von den meisten aber mußte ich berichten: »Er opfert jetzt in seinen besten Kleidern Ammon und verflucht deinen Namen, Pharao Echnaton.« Schließlich sagte ich: »Atons Reich ist zusammengebrochen, Pharao Echnaton, und Ammon herrscht von neuem.«
Er starrte mit verschleierten Augen vor sich hin, bewegte ungeduldig seine blutleeren Hände und sprach: »Ja, ja, ich weiß bereits alles. Meine Gesichte haben es mir verraten. Das Reich des Ewigen findet keinen Platz innerhalb irdischer Grenzen. Alles wird wieder wie früher sein, und Furcht, Haß und Ungerechtigkeit werden wieder die Welt regieren. Deshalb wäre es besser gewesen, ich hätte sterben können, und am besten vielleicht, ich wäre nie geboren worden, um alles Böse, das auf Erden geschieht, nicht sehen zu müssen.«
Da weckte seine Verblendung meinen Zorn, und ich sprach heftig: »Pharao Echnaton, du hast nicht einmal einen Bruchteil von all dem Bösen, das deinetwegen geschehen ist, gesehen! Das Blut deines Sohnes ist nicht in deine Hände geflossen und dein Herz nicht beim Todesschrei deiner Liebsten erstarrt. Deshalb ist deine Rede nur törichtes Geschwätz, Pharao Echnaton.«
Er erwiderte müde: »Geh fort von mir, Sinuhe, wenn ich so grundverdorben bin! Verlasse mich, damit du meinetwegen nicht mehr zu leiden brauchst! Geh, ich bin deines Anblicks wie auch des Anblicks aller anderen überdrüssig; denn hinter jedem Menschenantlitz sehe ich das Gesicht des Raubtiers.«
Ich aber warf mich zu seinen Füßen nieder und sagte: »Nein, Pharao Echnaton, ich gehe nicht von dir! Denn ich will mein Maß voll haben; zu diesem Zwecke ward ich zweifellos in die Welt geboren, und das stand bereits vor meiner Geburt in den Sternen geschrieben. Wisse also, daß der Priester Eje zu dir kommt – und am nördlichen Stadtrand hat Haremhab in die Hörner stoßen und die Kupferketten, die den Fluß sperrten, zerhauen lassen, um zu dir zu segeln.«
Er lächelte matt, hob abwehrend die Hände und sprach: »Eje und Haremhab, Verbrechen und Speer, sind also die einzigen Getreuen, die zu mir eilen!« Alsdann sprachen wir nichts mehr, sondern lauschten nur dem leisen Rinnen der Wasseruhr, bis der Priester Eje und Haremhab vor den Pharao traten. Sie hatten sich unterwegs heftig gestritten; ihre Gesichter waren vom Zorn gerötet, sie atmeten schwer und redeten durcheinander, ohne sich um die Würde des Pharao zu kümmern.
Eje sagte: »Du mußt auf die Macht verzichten, Pharao Echnaton, wenn du das Leben behalten willst. Sekenre soll an deiner Statt regieren und nach Theben zurückkehren, um Ammon zu opfern; dann werden ihn die Priester zum Pharao salben und ihm die weiße und rote Krone aufs Haupt setzen.« Haremhab aber sagte: »Meine Speere werden dir die Krone bewahren, Pharao Echnaton, wenn du nach Theben zurückkehrst und Ammon opferst. Die Priester werden vielleicht murren, meine Peitsche aber wird sie beschwichtigen, und sie werden ihre Unzufriedenheit vergessen, sobald ich den heiligen Krieg erkläre, um Syrien wieder zu erobern.«
Ein lebloses Lächeln zuckte über das ausgemergelte Gesicht des Pharao, als er die beiden betrachtete. »Ich lebe und sterbe als Pharao«, erklärte er. »Niemals werde ich mich dem falschen Gott unterwerfen, noch eine Kriegserklärung zugeben, um meine Macht durch Blutvergießen zu retten. Der Pharao hat
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