Sinuhe der Ägypter
verführerisch, indem sie die Hitze in der Schiffskabine vorschützte. Denn sie hatte keine Ahnung von Haremhabs geheimem Abkommen mit Eje. Selbst wenn sie als Weib Haremhabs Verlangen nach Baketamon ahnen mochte, glaubte sie doch, durch ihre Schönheit die unerfahrene, hochmütige Prinzessin unschwer aus seinem Sinn verdrängen zu können. Sie hatte sich nämlich in dem goldenen Haus an leichterrungene Siege gewöhnt, indem sie Fremde auf das Lager des Pharao spucken ließ.
Ihre Schönheit aber machte keinen Eindruck auf Haremhab, der sie kalt betrachtete und erklärte: »Ich bin in dieser verfluchten Stadt schon mehr als genug in den Dreck gezogen worden und verspüre keine Lust, mich auch mit dir zu besudeln, schöne Nofretete. Außerdem muß ich meinen Schreibern Briefe betreffs des Krieges diktieren und habe somit keine Zeit, mit dir zu spielen.« Das alles erzählte mir Haremhab später und übertrieb dabei gewiß. Doch glaube ich, daß er in der Hauptsache die Wahrheit sprach; denn von diesem Tag an haßte ihn Nofretete giftig und tat ihr möglichstes, um seinen Ruf zu beflecken. Auch schloß sie in Theben mit der Prinzessin Baketamon Freundschaft, was Haremhab, wie ich später berichten werde, sehr zum Schaden gereichte. Deshalb hätte er besser daran getan, sie nicht zu kränken, sondern ihre Freundschaft zu bewahren und ihr in ihrer Trauer Entgegenkommen zu zeigen. Aber er wollte die Leiche Pharao Echnatons nicht bespeien; denn wie seltsam es auch klingen mag: er liebte den Pharao immer noch, obgleich er seinen Namen und sein Bild aus allen Inschriften und Bildnissen entfernen und den Atontempel zu Theben niederreißen ließ. Als Beweis für diese Liebe muß ich erwähnen, daß Haremhab durch seine Getreuen den Leichnam des Pharao heimlich aus seinem Grab in Achetaton in das seiner Mutter bei Theben überführen und dort verstecken ließ, damit er nicht in die Hände der Priester falle. Denn diese hatten die Leiche Echnatons verbrennen und die Asche in den Strom streuen wollen, um sein Kaa zu ewigem Herumirren in den Abgründen des Totenreiches zu verurteilen. Haremhab aber kam ihnen zuvor und ließ den Leichnam verbergen. Doch geschah das alles erst viel später.
6
Mit der Genehmigung Tutanchamons ließ Eje in Eile Schiffe kommen; der ganze Hof begab sich an Bord und verließ die Stadt Achetaton, wo kein einziges Lebewesen zurückblieb, ausgenommen die Leichenwäscher und Balsamierer im Haus des Todes, die den Leib Pharao Echnatons zur ewigen Aufbewahrung bereiteten, um ihn dann in das Grab zu schaffen, das er im östlichen Berg für sich selbst hatte aushauen lassen. So flohen die letzten Bewohner aus der Stadt der Himmelshöhe – und dies so rasch, daß sie sich nicht einmal mehr umschauten und das Geschirr in dem goldenen Haus auf dem Tisch stehen und auch Thuts Spielzeug für alle Zeiten am Boden liegen blieb.
Der Wüstenwind riß die Fensterläden auf, und Sand rieselte über die Fußböden, wo leuchtende Enten durch ewig grünendes Röhricht flogen und bunte Fische im Wasser schwammen. Die Wüste kehrte in die Gärten Achetatons zurück, die Fischteiche vertrockneten, die Bewässerungsgräben verstopften sich, und die Obstbäume gingen ein. Der Lehm der Hauswände zerbröckelte, die Dächer stürzten ein, und die Stadt Achetaton zerfiel in Ruinen, wo Schakale in den leeren Gemächern bellten und sich in weichen Betten unter leuchtenden Baldachinen verkrochen. So starb die Stadt Achetaton ebenso rasch, wie sie durch den Willen Pharao Echnatons aus der Wüste emporgewachsen war.
Die Bevölkerung Thebens jubelte Ammons wegen und jauchzte über den neuen Pharao, der noch ein Kind war. So töricht ist das Herz des Menschen, daß er stets seine Hoffnung und sein Vertrauen in die Zukunft setzt, nichts aus seinen Irrtümern lernt und sich einbildet, der morgige Tag werde besser als der heutige sein. Deshalb scharte sich das Volk in den Gärten zu beiden Seiten der Widderstraße, auf dem Platz vor dem Tempel und allen seinen Vorhöfen, um dem neuen Pharao freudig zu huldigen und ihm Blumen auf den Weg zu streuen. Und wenn jemand stillschweigend und finster danebenstand, brachten ihn die Soldaten Haremhabs und Ejes mit ihren Speerspitzen rasch auf bessere Gedanken.
Im Hafen und im Armenviertel aber schwelten die Ruinen immer noch, beißender Rauch entstieg ihnen, und der Strom stank vom Blut der vielen Leichen. Auf den Dachgesimsen des Tempels reckten Raben und Aasgeier kreischend ihre blutigen
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