Sinuhe der Ägypter
verfluchten Stadt abzogen, ihnen nachgelaufen sei und sie weinend angefleht habe, um des Pharao willen zurückzukehren: »Ihr könnt unmöglich auf diese Weise Heim und Frau und Kinder verlassen!« Aber die Schardanen und Syrier verhöhnten und verlachten ihn, und einer ihrer Unteroffiziere entblößte sich das Glied und zeigte es ihm mit den Worten: »Wo dieses Werkzeug ist, da befinden sich auch unser Heim, unsere Frauen und unsere Kinder!« So bedeckte der kindische Sekenre seine königliche Würde mit Schmach, indem er die Söldnertruppen bat und anflehte, sie möchten zurückkehren.
Als Eje und Haremhab seine Beschränkung erkannten, verließen sie ihn, und da er am Tag darauf Fische stechen ging, geschah es, daß sein Schilfboot kenterte und die Krokodile ihn auffraßen. So wurde wenigstens behauptet; wie sich aber alles zugetragen, weiß ich nicht. Ich glaube zwar nicht, daß Haremhab ihn umbringen ließ, eher noch, daß der Unfall durch Eje angestiftet wurde; denn diesen drängte es seiner Macht wegen nach Theben zurück.
Alsdann begaben sich Eje und Haremhab zu dem jungen Thut, der am Boden seines Zimmers im Palast saß; wie gewöhnlich spielte er Begräbnis, und seine Gemahlin Anchesenaton half ihm dabei. Haremhab sprach: »Hallo, Thut! Steh auf von dem dreckigen Boden; denn von nun an bist du der Pharao!«
Thut erhob sich gehorsam, setzte sich auf den goldenen Thron und sagte: »Bin ich der Pharao? Es nimmt mich gar nicht wunder! Ich habe mich immer allen anderen überlegen gefühlt, und es ist daher nicht mehr als recht, daß ich Pharao geworden bin! Mit meiner Geißel werde ich alle Übeltäter bestrafen und mit meinem Krummstab wie ein Hirte über Gute und Fromme wachen.«
Eje sagte: »Schwatz keinen Unsinn, Thut! Du hast genau zu tun, was ich dir vorschreibe – und zwar ohne zu murren. Vor allem müssen wir einen feierlichen Einzug in Theben halten. Du wirst dich dort im großen Tempel vor Ammon verneigen und ihm Opfer darbringen, worauf die Priester dich salben und dir die weiße und rote Krone aufsetzen werden. Hast du verstanden?«
Thut grübelte eine Weile nach und fragte dann: »Wenn ich nach Theben fahren, wird man mir dann ein Grab gleich den Ruhestätten der großen Pharaonen erbauen? Und werden es die Priester mit Spielzeug, goldenen Sitzen und weichen Lagern füllen? Die Gräber hier in Achetaton sind eng und düster, und ich begnüge mich nicht mit bloßen Wandmalereien, sondern will ordentliche Spielsachen und auch das feine blaue Messer, das ich von den Hetitern bekommen habe, mit ins Grab nehmen.«
»Zweifellos werden die Priester dir eine vornehme Grabstätte bereiten!« versicherte Eje. »Du bist ein kluger Junge, Thut, gescheiter als du vielleicht selber weißt, da du bei der Thronbesteigung vor allem an dein Grab denkst. Zuerst aber mußt du deinen Namen ändern. Tutanchaton paßt den Ammonpriestern nicht. Von diesem Tag an sollst du daher Tutanchamon heißen.«
Thut hatte nichts dagegen einzuwenden und bat nur, daß man ihn seinen neuen Namen schreiben lehre, weil er das Schriftzeichen für den Namen Ammons nicht kenne. So wurde in Achetaton der Name Ammons zum erstenmal in Schriftzeichen wiedergegeben. Als Nofretete aber sah, daß Tutanchamon zum Pharao bestimmt und sie selbst ganz übergangen wurde, zog sie ihr schönstes Gewand an und ließ sich, obgleich sie in Trauer war, Leib und Haar mit wohlriechenden Salben einreiben, um sich zu Haremhab an Bord seines Schiffes zu begeben und ihm zu sagen: »Es ist ja geradezu lächerlich, daß ein minderjähriger Knabe Pharao werden und mein verfluchter Vater Eje dessen Erziehung übernehmen und Ägypten mit dessen Macht regieren soll, obwohl ich große königliche Gemahlin und Königinmutter bin! Auch haben mich die Männer stets gern gesehen und eine Schönheit, ja die schönste Frau Ägyptens genannt, was allerdings übertrieben ist. Betrachte mich daher, Haremhab, obwohl die Trauer meine Augen getrübt und meinen Rücken gebeugt hat! Betrachte mich, Haremhab! Die Zeit ist kostbar, du hast die Speere auf deiner Seite, und du und ich könnten vielleicht gemeinsam vielerlei planen, was für Ägypten von großem Nutzen wäre! Ich spreche so offenherzig zu dir, weil ich nur an Ägyptens Wohl denke und weiß, daß mein Vater, der verfluchte Eje, ein Geizkragen und Einfaltspinsel ist, der Ägypten sehr schaden würde.«
Haremhab betrachtete sie, und Nofretete spreizte ihr Gewand vor seinen Augen und benahm sich auf jede Weise
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