Sinuhe der Ägypter
dir meinetwegen keine Sorgen! Wenn ich auch alt bin und hinken muß, bin ich doch noch sehr zäh und verdiene mein Leben mit Waschen und auch mit Backen, solange es in Theben noch Brot gibt. Die Hauptsache ist, daß du, Herr, wieder zurückkommst.«
So saß ich bis zum Anbruch der Dunkelheit in der Ruine des einstigen Hauses des Kupferschmieds. Mutis Feuer leuchtete einsam in der verrußten Finsternis; doch war dieser Platz die einzige Heimstatt, die ich auf Erden noch besaß. Deshalb strich ich mit der Hand über den rauhen Stamm der Sykomore und über den abgewetzten Stein der Türschwelle und dachte, ich würde wohl nie mehr wiederkehren; und während meine Finger Mutis mütterliche Knochenhand streichelten, sagte ich mir, daß ich sicherlich am besten daran täte, nie zurückzukommen, da ich doch über diejenigen, die mich liebten, nichts als Kummer und Unglück brachte. Es war daher das beste für mich, einsam zu leben und zu sterben, ganz wie ich auch in der Nacht meiner Geburt allein in einem Binsenboot den Strom herabgeschwommen kam.
Als sich die Sterne entzündeten und die Wächter in den verheerten Hafengassen zur Einschüchterung des Volkes mit den Speerschäften auf die Schilde zu trommeln begannen, nahm ich von Muti Abschied und verließ das einstige Haus des Kupferschmieds im Armenviertel Thebens, um mich nochmals in das goldene Haus des Pharao zu begeben. Während ich so durch die Straßen zum Ufer wandelte, glühte der Nachthimmel wieder einmal rot über Theben, die Lichter der Hauptstraßen strahlten durch die Finsternis, und aus dem Stadtinnern drang der aufreizende Klang der Musikinstrumente an meine Ohren; denn in dieser Nacht feierte Theben die Thronbesteigung Pharao Tutanchamons.
7
In der gleichen Nacht aber arbeiteten die alten Priester fleißig im Tempel der Sekhmet, jäteten das Unkraut, das zwischen den Steinplatten des Bodens emporgewuchert war, stellten das löwenhäuptige Bildnis wieder an seinen Platz, kleideten es in rotes Linnen und schmückten es mit den Sinnbildern des Krieges und der Zerstörung. Denn nachdem Eje den jungen Tutanchamon mit den Kronen der beiden Reiche, mit der roten und der weißen, mit der Lilien- und der Papyruskrone gekrönt hatte, sprach er zu Haremhab:
»Jetzt, Sohn des Falken, hat deine Stunde geschlagen! Laß in die Hörner stoßen, um den Kriegsausbruch zu verkünden! Laß das Blut wie eine reinigende Sturzwelle über das Land Kêmet hinwegspülen, damit alles wieder zum alten zurückkehre und das Volk das Andenken des falschen Pharao vergesse!«
Am folgenden Tag, als Tutanchamon und seine königliche Gemahlin im goldenen Haus mit ihren Puppen Begräbnis spielten und die Priester Ammons, von ihrer wiedergewonnenen Macht berauscht, im großen Tempel heiligen Weihrauch verbrennen ließen und unablässig den Namen Pharao Echnatons für Zeit und Ewigkeit verfluchten, ließ daher Haremhab an allen Straßenecken in die Hörner stoßen, worauf sich die Kupfertore des Sekhmettempels sperrangelweit öffneten und Haremhab an der Spitze auserwählter Truppen feierlich durch die Widderstraße zog, um Sekhmet Opfer darzubringen. Die Priester hatten ihren Teil erhalten, indem die Meißel der Steinhauer den verfluchten Namen Pharao Echnatons aus allen Inschriften der Tempel, der Paläste und Gräber für alle Zeiten ausmerzten, auf daß sein Andenken der Vergessenheit anheimfalle. Pharao Tutanchamon sah seinen Wunsch erfüllt; denn die königlichen Baumeister berieten sich bereits über den Platz für sein Grab. Auch Eje hatte seinen Lohn bekommen: er herrschte an der rechten Seite des Pharao über das Land Kêmet und bestimmte über die Steuern, die Rechtsprechung, die Geschenke, die Gunstbezeigungen und die Felder des Pharao. Jetzt war die Reihe an Haremhab; auch er erhielt Genugtuung. Ich folgte ihm zum Tempel der Sekhmet; denn er wollte sich in der ganzen Größe seiner Macht vor mir zeigen, da er nun endlich den Krieg, für den er sein Leben lang gearbeitet und Ränke geschmiedet hatte, führen durfte.
Zu Haremhabs Ehren muß ich jedoch erwähnen, daß er im Augenblick seines Triumphes auf jeden äußeren Prunk verzichtete, um durch die schlichte Würde seines Auftretens auf das Volk Eindruck zu machen. Deshalb fuhr er in einem plumpen Streitwagen zum Tempel, über den Häuptern seiner Rosse wehten keine Federbüsche, und kein Gold glänzte an den Radspeichen seines Gefährts. Hingegen durchschnitten scharfgeschliffene Kupfersensen zu beiden Seiten des Wagens
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