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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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das Reich der Seligen ein, und die Götter Ägyptens nehmen sich seiner an. Nur durch das Aufgebot aller Kräfte kann alles gewonnen werden. Deshalb, ihr Frauen Ägyptens, zwirnt euer Haar zu Bogensträngen und schickt jubelnd eure Männer und Söhne in den heiligen Krieg! Ägyptische Männer, schmiedet Pfeilspitzen aus eurem Schmuck und folgt mir: ich will euch einen Krieg schenken, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat! Die Geister der großen Pharaonen werden auferstehen und an unserer Seite kämpfen. Alle Götter Ägyptens, namentlich Ammon, werden uns beistehen. Wir werden die Hetiter aus dem schwarzen Lande zurückschlagen, wie die Flut Strohhalme fortschwemmt. Wir holen uns Syriens Reichtümer wieder und tilgen die Schmach Ägyptens mit unserem Blut. Hört auf mich, ihr alle! Haremhab, der Sohn des Falken, der Sieger, hat gesprochen.«
    Nach dieser Rede ließ er seine blutbesudelten Hände sinken, und seine gewaltige Brust keuchte vor Anstrengung; denn er hatte mit weithin schallender Stimme gesprochen. Jetzt wurde wieder in die Hörner gestoßen, die Soldaten trommelten mit den Speerschäften auf die Schilde und stampften mit den Füßen, bis sich vereinzelte Rufe aus der Menge erhoben, denen immer heue folgten, so daß das Gebrüll schließlich zum Sturm anschwoll. Alle jubelten und schrien und streckten die Hände hoch, das Blut stieg den Leuten zu Kopf, und sie tobten immer heftiger, obwohl ich glaube, daß viele gar nicht wußten, warum sie eigentlich mitschrien. Lächelnd bestieg Haremhab wieder seinen Streitwagen. Die Soldaten bahnten ihm einen Weg, und unter stürmischem Jubel grüßte ihn die Menge zu beiden Seiten der Widderstraße. Da verstand ich auf einmal, daß es dem Volk eine große Freude bereitet, im Chor zu brüllen, und daß die Ursache des Gebrülls keine große Rolle spielt; denn jeder fühlt sich dabei stark und hegt die Überzeugung, die Sache, derentwegen er brülle, sei die einzig gerechte. Haremhab aber fühlte sich aufs höchste befriedigt und hob großtuerisch die Arme zum Gruß.
    Er fuhr geradenwegs zum Hafen, um sich an Bord des Kriegsschiffs des Oberbefehlshabers zu begeben und unverzüglich nach Memphis zu segeln; denn er hatte sich schon zu lange in Theben aufgehalten, und nach den letzten Nachrichten ließen die Hetiter ihre Pferde bereits in Tanis weiden. Ich ging mit ihm an Bord, und niemand hinderte mich, als ich auf ihn zutrat und sprach:
    »Haremhab! Pharao Echnaton ist tot. Ich bin nicht mehr königlicher Schädelbohrer, sondern kann nach Belieben kommen und gehen, da nichts mich bindet. Deshalb folge ich dir in den Krieg, weil mir alles gleichgültig geworden ist und mich nichts mehr freuen kann. Ich möchte beobachten, welchen Segen der Krieg bringt, von dem du dein Leben lang gesprochen hast. Wahrlich, das will ich sehen und auch, ob deine Macht besser als diejenige Echnatons ist, oder ob die Geister der Unterwelt die Erde regieren!«
    Haremhab freute sich sehr und sagte: »Das ist ein gutes Vorzeichen, obwohl ich mir niemals hätte einfallen lassen, daß du, Sinuhe, dich als erster freiwillig melden würdest! Nein, das hätte ich dir nicht zugetraut; denn ich weiß, daß du deine Bequemlichkeit und ein weiches Bett mehr schätzest als die Strapazen eines Krieges. Ich hatte mir eher gedacht, du würdest meine Interessen in Theben wahren, indem du eifrig deine Bekanntschaften in dem goldenen Hause pflegtest. Aber vielleicht ist es besser so; denn du bist ein schlichter Mann, den jeder an der Nase herumführt, und wenn du mich begleitest, habe ich wenigstens einen tüchtigen Arzt bei mir, den ich allerdings kaum nötig haben werde. Wahrlich, Sinuhe, meine Soldaten haben dir damals, als wir gemeinsam gegen die Chabiri kämpften, mit Recht den Beinamen ›Sohn des Wildesels‹ verliehen. Denn du besitzest offenbar das Herz eines Wildesels, da du die Hetiter nicht fürchtest.«
    Während er so sprach, stießen die Ruderer das Schiff vom Land, tauchten ihre Ruder ins Wasser, und mit flatternden Wimpeln ging es stromabwärts. Die Uferdämme Thebens waren weiß von Menschen, deren Rufe wie ein Sturmesbrausen in unseren Ohren klangen. Haremhab atmete tief auf und meine lächelnd:
    »Wie du siehst, hat meine Rede einen tiefen Eindruck auf das Volk gemacht. Aber laß uns in meine Kabine gehen, damit ich mir dieses göttliche Blut von den Händen wasche!« Ich folgte ihm, er schickte seine Schreiber hinaus, wusch sich das Blut ab, beroch seine Hände und meinte gelassen: »Bei

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