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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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das Erbe, das ich meinen Brüdern hinterlasse! Mögen die Tränen Metis nach seinem Tod in die Träume der Armen und Sklaven sickern! Mögen die Mütter ihre mageren Kinder beim Tropfen meiner Tränen in den Schlummer wiegen! Möge mein Schluchzen durch alle Zeiten aus dem Lärm der Steinmühlen klingen, auf daß jeder, der es in seinem Herzen vernimmt, seine Brüder um sich her entdecke!«
    Er tätschelte mir mit seinen narbigen Händen die Wangen, während ihm heiße Tränen aus den Augen strömten und auf meine Hände nieder rannen, und der scharfe Geruch des Fischausweiders füllte mir die Nüstern, als er sagte: »Geh, mein Bruder Sinuhe, damit dich nicht die Wächter finden und du durch mich zu Schaden kommst! Geh! Doch mögen dich meine Tränen auf Schritt und Tritt begleiten, bis dir die Augen aufgehen und du alles so siehst, wie ich es jetzt sehe, und dir meine Zähren schließlich kostbarer als Perlen und Edelsteine sind! Denn in diesem Augenblick weine ich nicht mehr allein: in mir weint das Geschlecht der Geknechteten und Geschlagenen aller Zeiten. Meine Tränen sind die Tränen von Millionen und aber Millionen Menschen, und durch sie wird die Erde alt und gefurcht. Das Wasser, das im Strom fließt, besteht aus den Tränen derer, die vor uns lebten, und das Wasser, das in fremden Ländern nieder regnet, besteht aus den Tränen derer, die nach uns geboren werden. Jetzt, da du, Sinuhe, dies alles weißt, bist du nicht länger einsam.«
    Er sank vor meinen Augen zu Boden, seine verkrümmten Finger kratzten im Staub des Uferdamms, und seine Tränen rollten wie graue Perlen darauf nieder; ich aber verstand seine Worte nicht, obwohl ich bereit gewesen, durch seine Hand zu sterben. Deshalb floh ich ihn und trocknete mir die von seinen Zähren benetzten Hände mit dem Achseltuch; sein herber Geruch aber blieb mir in den Nüstern hängen. So vergaß ich ihn, wohin mich meine Füße lenkten, und die Bitterkeit fraß mir wie Lauge am Herzen; denn meine eigene Trauer und Einsamkeit dünkten meinem Gemüt größer als die Trauer und die Einsamkeit aller anderen Menschen. Meine Schritte führten mich zu dem einstigen Haus des Kupferschmieds. Ich begegnete verängstigten hindern, die sich vor mir verbargen, und Frauen, die in den Ruinen nach ihrem Hausgerät suchten und sich bei meinem Anblick das Gesicht bedeckten.
    Das frühere Haus des Kupferschmieds war durch Feuer verheert, seine Wände waren geschwärzt, der Teich im Garten ausgetrocknet und die Äste der Sykomore kahl und verkohlt. Doch zwischen die Mauerreste hatte jemand ein paar Bretter gelegt, und darunter erblickte ich einen Wasserkrug. Muti kam mir entgegen, hinkend, von Wunden bedeckt und das graue Haar verschlammt, so daß ich ihr Kaa zu sehen glaubte und erschrocken zurückprallte. Sie aber verneigte sich mit wankenden Knien vor mir und sprach höhnisch: »Gesegnet sei der Tag, der meinen Herrn nach Hause bringt!«
    Mehr brachte sie mit ihrer von Bitterkeit erstickten Stimme nicht über die Lippen. Sie ließ sich zu Boden und bedeckte das Gesicht mit den Händen, um mich nicht sehen zu müssen. Die »Hörner« hatten ihren mageren Körper vielfach verletzt; aber die Wunden waren bereits vernarbt, und ich konnte ihr nicht mehr helfen, obwohl ich sie trotz ihrem Widerspruch untersuchte. Ich fragte: »Wo ist Kaptah?«
    Sie antwortete: »Kaptah ist tot. Man behauptet, die Sklaven hätten ihn umgebracht, als sie sahen, daß er sie verriet und den Leuten Pepitamons Wein vorsetzte.« Aber ich schenkte ihren Worten keinen Glauben, weil ich wohl wußte, daß er nicht hatte sterben können, weil ein Kaptah auch die schlimmsten Geschehnisse überlebt. Muti war heftig erzürnt ob meinem Zweifel und sagte: »Dein weises Lachen, Sinuhe, fällt dir gewiß leicht, nachdem du deinen Willen bis ins letzte durchgesetzt und den Triumph deines Atons gesehen hast! Ihr Männer seid alle gleich, und von euch stammt alles Böse, das in der Welt geschieht. Männer werden nie zu Erwachsenen, sondern bleiben ihr Leben lang Jungen, die sich gegenseitig mit Steinen bewerfen, mit Stöcken verhauen und die Nasen blutig schlagen. Ihr höchstes Bestreben liegt darin, denjenigen, die sie lieben und es gut mit ihnen meinen, Kummer zu bereiten. Wahrlich, habe ich nicht stets dein Bestes gewollt, Sinuhe? Und was ist mein Lohn dafür? Ein lahmes Bein und Wunden am ganzen Körper und eine Handvoll verfaulter Graupen für eine Grütze! Doch klage ich nicht meinethalb, sondern Merits wegen, die

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