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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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die Luft, marschierten Speerwerfer und Bogenschützen in ausgerichteten Reihen hinter ihm her und klang das Getrampel ihrer bloßen Füße auf den Steinen der Widderstraße taktfest und gewaltig wie Meerestosen am Ufergestein, während die Neger ihre mit Menschenhaut überspannten Trommeln schlugen.
    Schweigsam und bebend betrachtete das Volk seine stattliche Erscheinung, die sich im Streitwagen hoch über den Köpfen aller abzeichnete, wie auch seine Truppen, die von Beleibtheit strotzten, während das ganze Land Hungersnot litt. Stumm verfolgte das Volk den Zug Haremhabs zum Sekhmettempel, als wäre es nach dem Taumel der Festnacht plötzlich von einer Ahnung befallen, daß seine wahren Leiden erst jetzt ihren Anfang nahmen. Vor dem Tempel der Sekhmet stieg Haremhab von seinem Streitwagen und betrat, von seinen Hauptleuten gefolgt, das Heiligtum, wo die Priester, Gesicht, Hände und Kleider mit frischem Blut beschmiert, ihnen entgegenkamen, um sie zu dem Bildnis der Göttin zu führen. Diese trug ein rotes, von dem Blut der Opfer durchtränktes Gewand, das sich eng um ihren steinernen Leib schmiegte, und ihre Brüste lugten stolz und bluttriefend daraus hervor. Im Halbdunkel des Tempels schien sich ihr wildes Löwenhaupt zu bewegen, und ihre Edelsteinaugen starrten Haremhab wie lebendige Augen an, als er vor dem Altar die noch warmen Herzen der Opfer in den Fäusten zerquetschte und die Göttin um den Sieg bat. Die Priester tanzten jubelnd um ihn herum, verletzten sich mit Messern und riefen im Chor:
    »Kehre als Sieger zurück, Haremhab, du Sohn des Falken! Kehre als Sieger zurück, und die Göttin wird lebend zu dir herabsteigen und dich mit ihrem nackten Leib umfangen!«
    Haremhab aber ließ sich von den Priestern nicht aus seiner Ruhe bringen, sondern vollführte die vorgeschriebenen Riten mit kühler Gelassenheit, um sich dann aus dem Tempel ins Freie zu begeben. Während er sein Opfer darbrachte, hatte sich eine unübersehbare Menschenmenge, von den Hornsignalen angelockt, im Vorhof und auf dem Platz vor dem Tempel angesammelt. Als Haremhab aus dem Heiligtum trat, hob er seine blutbesudelten Hände und sprach zum Volk:
    »Hört auf mich, ihr alle im Lande Kêmet, hört auf mich! Denn ich bin Haremhab, der Sohn des Falken, und in meiner Hand trage ich Sieg und unsterbliche Ehre für alle, die mit mir in den heiligen Krieg ziehen wollen! In diesem Augenblick dröhnen die Streitwagen der Hetiter in der Wüste Sinais, und ihre Vortruppen verheeren das Untere Land. Noch nie zuvor hat dem Lande Kêmet eine solche Gefahr gedroht; denn im Vergleich mit den Hetitern waren die alten Hyksos sanfte, barmherzige Leute. Die Hetiter nahen, ihre Zahl ist unermeßlich und ihre Grausamkeit der Schrecken aller Völker. Sie zerstören eure Häuser und stechen euch die Augen aus, sie schänden eure Frauen und zwingen eure Kinder, als Sklaven Steinmühlen zu drehen. In den Spuren ihrer Streitwagen wächst kein Getreide mehr, und unter den Hufen ihrer Rosse verwandelt sich das Land in eine Wüste. Deshalb ist der Krieg, den ich erkläre, ein heiliger Krieg! Es geht um euer Leben, um die Götter im Lande Kêmet, eure Kinder und eure Heime. Wenn unsere Absichten glücken, werden wir nach dem Sieg über die Hetiter Syrien wieder erobern und im Lande Kêmet den früheren Wohlstand und Reichtum von neuem einführen, damit ein jeder sein Maß voll bekomme. Lange genug haben Fremdlinge das Land Kêmet geschändet, unsere Schwäche verhöhnt und über die Schmach unserer Waffen gelacht. Die Stunde hat geschlagen, und ich werde die Kriegerehre unseres Landes wiederherstellen. Jedem, der mir freiwillig folgt, verspreche ich sein Maß Getreide und seinen Beuteanteil, und, wahrlich, die Beute wird so reichlich ausfallen, daß diejenigen, die am Siegestag mit mir heimkehren, reicher sein werden, als sie je zu träumen wagten. Wer mir aber nicht aus freien Stücken folgt, wird es gezwungen tun und, den Nacken unter schweren Bürden gebeugt, Schmach und Spott erleiden müssen, ohne von der Beute etwas zu erhalten. Deshalb glaube und hoffe ich, daß jeder Mann in Ägypten, der das Herz eines Mannes hat und dessen Arm einen Speer zu heben vermag, freiwillig mitkommen werde. Heute leiden wir Mangel an allem, und der Hunger folgt uns auf den Fersen. Nach dem Sieg aber werden die Tage des Überflusses anbrechen. Keiner, der im Kampf für das Land Kêmet fällt, braucht sich wegen der Einbalsamierung seines Leibes zu sorgen; denn er geht geradenwegs in

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