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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Je näher ihr die Pferde an euch heranlaßt, desto sicherer trefft ihr sie. Ich rate euch daher, erst aus nächster Nähe zu schießen; denn ich werde jeden, der einen Pfeil vergeudet, eigenhändig auspeitschen, bis er wünscht, niemals geboren worden zu sein! Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen einzigen Pfeil zu verschleudern. Denkt daran, daß ihre Spitzen aus dem Brustschmuck der ägyptischen Frauen und aus den Fußringen der Freudenmädchen angefertigt sind, falls euch das Vergnügen bereiten kann! Zu den Speerwerfern aber sage ich: Wenn die Rosse dahergerannt kommen, sollt ihr den Speerschaft mit beiden Händen auf den Boden stemmen und die Spitze gegen den Bauch des Tieres richten; dann lauft ihr selbst keine Gefahr, sondern habt Zeit, zur Seite zu springen, ehe die Pferde über euch hinstürzen. Solltet ihr aber zu Boden geworfen werden, müßt ihr den Rossen die Fesseln durchschneiden, weil dies für euch die einzige Rettung davor ist, von den Rädern überfahren und zermalmt zu werden. So stehen die Dinge, ihr Sumpfratten vom Nil!«
    Er schnupperte mit Abscheu an dem Brot in seiner Hand, schleuderte es dann fort, hob einen Krug zum Mund und trank reichlich Wasser gegen seinen Katzenjammer. Alsdann fuhr er fort: »Eigentlich verliere ich unnütz meine Zeit, indem ich hier zu euch spreche und euch Ratschläge erteile; denn wenn ihr den Streitruf der Hetiter und das Dröhnen ihrer Wagen vernehmt, werdet ihr ja doch in Tränen ausbrechen und den Kopf in den Sand stecken, weil ihr ihn nicht unter den Kleidern eurer Mütter verbergen könnt! Für diesen Fall muß ich erwähnen, daß, wenn es den Hetitern gelingen sollte, unsere Reihen zu durchbrechen und die Wasservorräte in unserem Rücken zu erreichen, jeder von euch noch vor dem Abend verkauft und tot ist! Im besten Falle werden eure Häute nach einigen Mondumläufen zu Markttaschen verarbeitet an den Armen der Weiber von Byblos und Sidon baumeln, falls ihr nicht mit zerschlagenen Gliedern an der Mauer hängt und brüllt oder mit ausgestochenen Augen Mühlsteine im Lager Azirus dreht. So ergeht es uns, wenn die Hetiter durchbrechen; denn dann sind wir ohne Möglichkeit zur Flucht umzingelt und verloren. Aber ich will auch hervorheben, daß wir schon jetzt nicht mehr entkommen können: wenn wir die von uns errichteten Wehrbauten aufgeben und uns zurückziehen, werden uns die Streitwagen der Hetiter auseinandersprengen, wie der Strom trockene Spreu fortschwemmt. Ich sage dies für den Fall, daß es jemand einfallen sollte, Hals über Kopf in die Wüste hinauszufliehen. Damit ihr euch jedoch nicht in der Himmelsrichtung, in der sich der Feind befindet, täuscht, werde ich meine fünfhundert tapfersten Soldaten in gehöriger Entfernung hinter eurem Rücken aufstellen, damit sie sich beim Anblick eurer Kampfmethoden sattlachen können; dieses Lachen haben sie wahrlich verdient! Jeden, der sich in der Richtung irrt, werden sie mit ihren Messern totstechen oder der kleinen Operation unterwerfen, die einen wilden Stier in einen gefügigen Zugochsen verwandelt. Wißt also, daß, wenn der Tod vielleicht vor euch lauert, er euch noch sicherer im Rücken erwartet! Vor euch aber liegen auch Sieg und Ehre; denn ich zweifle nicht daran, daß wir, falls jedermann sein Bestes tut, heute die Hetiter schlagen werden. Seht, meine lieben Sumpfratten, wir sind alle auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden, und uns bleibt daher nichts anderes übrig, als die Hetiter zu besiegen. Dazu wiederum gibt es kein anderes Mittel, als sich auf sie zu werfen und ihnen mit Hilfe der verschiedenen Waffen, die euch in die Hände gegeben sind, den Garaus zu machen. Das ist unser einziger Ausweg; deshalb folge ich euch und kämpfe, die Peitsche in der Hand, an eurer Seite. Es soll nicht meine Schuld sein, wenn meine Peitsche öfter auf euch als auf die Hetiter niederklatscht, sondern das wird ganz von euch selbst abhängen.«
    Wie verzaubert hörten ihm die Leute zu, vergaßen dabei gänzlich, von einem Fuß auf den anderen zu treten, und dachten auch nicht mehr an die Hetiter. Ich muß gestehen, daß ich unruhig zu werden begann; denn die Streitwagen der Hetiter rollten bereits von allen Seiten wie Staubwolken auf unsere Stellung zu. Aber ich glaube, daß Haremhab seine Rede absichtlich in die Länge zog, um den Leuten seine eigene Ruhe einzuflößen und ihnen das beklemmende Warten auf den Angriff abzukürzen. Schließlich aber ließ er von seinem erhöhten Platz den Blick über

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