Sinuhe der Ägypter
Dunkelheit und mit verhülltem Gesicht in einer einfachen Sänfte. Muti, welche die beiden nicht erkannte, ließ sie ein und knurrte vor Ärger, weil sie mich ihretwegen mitten in der Nacht aus dem Schlaf wecken sollte. Ich schlief jedoch nicht; denn seit meiner Rückkehr aus Syrien litt ich wegen all der Schrecknisse, die ich dort gesehen hatte, an Schlaflosigkeit. Deshalb erhob ich mich bei Mutis Gebrumm von meinem Lager, zündete die Lampen an und empfing die Fremden, von denen ich glaubte, sie brauchten ärztliche Hilfe. Zu meinem großen Erstaunen erkannte ich jedoch die Besucher und schickte Muti nach Wein, obwohl Haremhab vor lauter Unmut darüber, daß die Alte sie gesehen hatte und ihre Worte hören konnte, sie umbringen wollte. Noch nie hatte ich Haremhab so verängstigt gesehen, und das bereitete mir große Genugtuung. Deshalb sprach ich:
»Ich erlaube dir keinesfalls, Muti aus dem Weg zu schaffen; und ich glaube, du bist krank im Kopf, daß du solchen Unsinn redest! Muti ist alt und schwerhörig und schnarcht wie ein Nilpferd. Davon wirst du dich bald genug mit eigenen Ohren überzeugen können. Trink daher Wein, und fürchte dich nicht vor einem alten Weib!«
Haremhab aber entgegnete ungeduldig: »Ich bin nicht hergekommen, um mit dir über Mutis Geschnarch zu reden. Ein Menschenleben mehr oder weniger hat nichts zu bedeuten, denn Ägypten schwebt in Lebensgefahr, und du mußt es retten!«
Eje bestätigte seine Worte, indem er sagte: »Wahrlich, Sinuhe, Todesgefahr droht Ägypten und auch mir! Nie zuvor war unser Land so ernstlich gefährdet wie in diesem Augenblick. Deshalb wenden wir uns in unserer Not an dich, Sinuhe.«
Ich aber lachte spöttisch und hob abwehrend die leeren Hände. Da ließ mich Haremhab die Lehmtafeln des Königs Schubbiluliuma sowie Abschriften der Briefe lesen, die Baketamon vor Kriegsende nach Chattuschasch an den König der Hetiter geschickt hatte. Ich entzifferte sie, die Lust zum Lachen verging mir, und der Wein verlor seinen Duft in meinem Mund; denn die Prinzessin hatte folgendermaßen an den König geschrieben:
»Ich bin die Tochter des Pharao, in meinen Adern fließt heiliges Blut, und in ganz Ägypten gibt es keinen Mann, der meiner würdig wäre. Wie ich höre, hast du viele Söhne. Sende also einen deiner Söhne zu mir, damit ich den Krug mit ihm zerbreche, und er soll an meiner Seite über Kêmet herrschen.«
Der Inhalt des Schreibens war so unerhört, daß der vorsichtige Schubbiluliuma zuerst nicht daran glauben wollte, sondern durch einen geheimen Boten eine in sehr mißtrauischen Worten abgefaßte Lehmtafel an Baketamon sandte, um sich nach ihren Bedingungen zu erkundigen. Baketamon aber wiederholte in einem neuen Schreiben ihr Angebot und versicherte, die Vornehmen des Landes und auch die Ammonpriester ständen auf ihrer Seite. Dieses Schreiben überzeugte Schubbiluliuma von der Ehrlichkeit ihrer Absichten. Deshalb hatte er sich beeilt, mit Haremhab Frieden zu schließen, und stand jetzt im Begriff, seinen Sohn Schubattu nach Ägypten zu schicken. Schubattu sollte Kadesch an einem günstigen Tag mit einer Menge Geschenke für Baketamon verlassen. Nach der letzten Lehmtafel zu urteilen, war er mit seinem Gefolge bereits unterwegs.
»Bei allen Göttern Ägyptens«, sagte ich erstaunt, »wie sollte ich euch beistehen können? Ich bin nur ein Arzt und vermag daher das Herz eines verrückten Weibes nicht für Haremhab zu gewinnen.«
Dieser erklärte: »Du hast uns schon einmal geholfen – und wer zum Ruder greift, muß rudern, ob er will oder nicht. Du mußt dem Prinzen Schubattu entgegenfahren und dafür sorgen, daß er nicht nach Ägypten gelangt. Wie du das erreichst, wissen wir nicht, und es ist uns auch gleich. Ich sage bloß, daß wir ihn nicht offen auf der Reise umbringen können, weil dies einen neuen Krieg mit den Hetitern zur Folge haben würde. Den Zeitpunkt seines Aufbruchs aber will ich selbst bestimmen.«
Seine Worte entsetzten mich, die Knie begannen mir zu zittern, mein Herz verwandelte sich in Wasser, und die Zunge stotterte in meinem Mund, als ich sagte: »Wohl ist es wahr, daß ich euch einmal geholfen habe; aber ich tat es ebensosehr für mich wie für Ägypten. Dieser Prinz aber hat mir nichts Böses angetan, und ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen: vor deinem Zelt am Todestag Azirus. Nein, Haremhab, zum Meuchelmörder wirst du mich nicht machen! Lieber sterbe ich. Denn ein schändlicheres Verbrechen gibt es nicht; und wenn ich dem
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