Sinuhe der Ägypter
leidest.«
Schließlich gibt es keinen Menschen, der sich nicht krank wähnte, wenn man es ihm lange und überzeugend genug einredet und er auf sich selber zu achten beginnt. Jeder Mensch trägt nämlich tief im Innern das Bedürfnis, sich selbst zu verhätscheln und sich pflegen zu lassen; das haben die Ärzte aller Zeiten gewußt, und dank diesem Wissen haben sie sich bereichert. Zu meinem Vorteil war mir überdies bekannt, daß die Wüstenquellen eine Lauge enthalten, die denjenigen, die nicht an Wüstenwasser gewöhnt sind, Durchfall verursacht. Daher war Prinz Schubattu über meine Worte äußerst verblüfft und rief:
»Du täuschest dich sicherlich, Sinuhe, Ägypter! Ich fühle mich wahrlich nicht krank, wenn ich auch zugeben muß, daß ich Abweichen habe und heute den ganzen Tag am Wegrand niederhocken mußte. Doch verstehe ich nicht, wieso du das wissen kannst; als Heilkünstler bist du jedenfalls geschickter als mein eigener Arzt, der meinem Leiden keine Beachtung geschenkt hat.« Er horchte auf sich selbst, befühlte sich Augen und Stirn mit der Hand und meinte: »Wahrhaftig! Die Augen brennen vom tagelangen Starren auf den roten Wüstensand, meine Stirn ist heiß, und ich fühle mich nicht so wohl, wie ich es wünschte!«
Ich erklärte ihm: »Dein Arzt täte am besten daran, dir ein Mittel für deinen Magen zu geben, damit du gut schläfst. Die Magenkrankheiten in der Wüste sind heimtückisch, und ich weiß selbst, daß viele Ägypter während des Zuges nach Syrien daran zugrunde gingen. Niemand kennt den Keim dieser Krankheit; einige behaupten, sie komme von dem giftigen Wüstenwind, andere suchen die Ursachen im Wasser, und andere wiederum schieben die Schuld auf die Heuschrecken. Aber ich bezweifle nicht, daß du morgen wieder gesund und munter deine Reise fortsetzen kannst, wenn dir dein Arzt heute abend ein gutes Mittel reicht.«
Er sann eine Weile nach, blickte seine Hauptleute aus verkniffenen Augen an und sagte zu mir, schmeichlerisch wie ein kleiner Knabe: »Bereite du mir eine gute Arznei, Sinuhe! Du kennst die seltsamen Wüstenkrankheiten gewiß besser als mein eigener Arzt.« Aber ich war nicht so dumm, wie er annahm, sondern hob die Hände mit nach außen gerichteten Innenflächen und sagte: »Erlaß mir diese Verpflichtung! Ich wage dir wahrhaftig keine Arznei zu reichen; denn wenn sich dein Zustand verschlimmern sollte, würdest du mich anklagen und behaupten, ich als Ägypter habe dir Böses antun wollen. Dein eigener Arzt wird seine Sache so gut wie ich, ja besser machen, weil er deinen Körper und deine früheren Krankheiten kennt, und er braucht dir auch nur eine einfache Arznei zu geben, die deinen Stuhlgang verstopft.«
Er lächelte mich an und meinte: »Vielleicht ist dein Rat gut. Denn ich will mit dir essen und trinken, damit du mir von meiner königlichen Gemahlin und den ägyptischen Sitten berichtest, und habe keine Lust, deine Erzählung immer wieder unterbrechen zu müssen, um hinauszulaufen und wie eine Bruthenne hinter dem Zelt zu sitzen!«
Er ließ seinen Arzt, einen mürrischen, mißtrauischen Hetiter, kommen, und wir berieten uns miteinander. Als mein Kollege merkte, daß ich mich nicht aufdrängen wollte, fand er Gefallen an mir und befolgte meinen Rat, für den Prinzen eine verstopfende Arznei von sehr starker Wirkung zusammenzubrauen. Mit diesem Ratschlag verfolgte ich einen bestimmten Zweck. Nachdem er das Mittel gemischt hatte, nahm er zuerst selbst einen Schluck aus dem Becher, um die Unschädlichkeit des Mittels zu beweisen, und reichte diesen dann dem Prinzen. Aus seiner Art, die Arznei zu mischen, und aus den verschiedenen Mitteln, die er dabei zusammenführte, ersah ich, daß er ein erfahrener Arzt war; doch meine Rede verwirrte ihn, und ich glaube, er hielt mich für geschickter als sich selbst und befolgte daher meinen Rat zum Besten seines Patienten.
Ich aber wußte, daß der Prinz nicht krank war und auch ohne Arznei genesen wäre. Doch ich wollte das Gefolge von seiner Erkrankung überzeugen und ihm den Magen verstopfen, damit das Mittel, das ich ihm zu geben gedachte, nicht vorzeitig aus seinem Leib abgeführt werde. Vor der Mahlzeit, die der Prinz zu meinen Ehren zubereiten ließ, begab ich mich in mein Zelt und füllte mir den Magen mit Speiseöl; trotz dem Ekel und dem Brechreiz, den das Öl verursachte, tat ich es, um mir das Leben zu erhalten. Dann holte ich einen kleinen, nur zwei Becher enthaltenden Krug Wein, in den ich Gift gemischt hatte.
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