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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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sorgte, daß einzig mein Kollege die Arzneien mischte und ihm diese zwischen den zusammengebissenen Zähnen einflößte. Ich wußte, daß Schubattu sterben mußte, und bemühte mich daher, durch meine Ratschläge seine Qualen nach Kräften zu lindern und ihm das Ende zu erleichtern, da ich nichts anderes mehr für ihn tun konnte. Gegen Abend trugen wir ihn in sein Zelt, vor dem die Hetiter in lautes Wehklagen ausbrachen, sich die Kleider zerrauften, Sand ins Haar streuten und mit Messern stachen, weil sie alle für ihr Leben fürchteten, das König Schubbiluliuma nicht schonen würde, falls der Prinz in ihren Händen stürbe. Ich aber wachte mit dem hetitischen Arzt am Krankenlager; meine Augen brannten, meine Nase rann beim Rauch der Fackeln, und ich sah den schönen Jüngling, der noch am Tag zuvor stark, gesund und glücklich gewesen, vor meinen Augen langsam dahinsiechen und häßlich und grün werden.
    Ich sah ihn sein Leben aushauchen, sah, wie seine kristallklaren Augen sich verschleierten und blutunterlaufen wurden und seine Pupillen nur noch zwei schwarze Punkte, nicht größer als eine Nadelspitze, waren. Seine Zähne bedeckten sich mit gelbem Schaum und Geifer, seine Haut verlor ihre frische Farbe und erschlaffte, er ballte die Fäuste und grub vor Schmerz die Nägel in die Handflächen. Verzweifelt und mißtrauisch untersuchte der hetitische Arzt unaufhörlich seinen Zustand; aber alle Anzeichen deuteten unzweifelhaft auf eine schwere Magenkrankheit. Deshalb dachte auch niemand an Gift; selbst wenn jemand auf den Gedanken daran gekommen wäre, hätte mich niemand anklagen können, da ich von dem gleichen Wein genossen und sogar aus Schubattus Becher getrunken hatte, und kein Mensch konnte sich vorstellen, auf welche Art ich ihn heimlich vergiftet haben könnte. Ich hatte meine Tat also äußerst geschickt und zum großen Nutzen Ägyptens ausgeführt, weshalb ich auf meine Fähigkeiten hätte stolz sein sollen; doch empfand ich beim Anblick des sterbenden Prinzen keinerlei Befriedigung.
    Am folgenden Morgen, als das Ende nahte, erlangte er das Bewußtsein wieder und ward angesichts des Todes zu einem kranken Kind, das leise nach seiner Mutter rief: »Mutter, Mutter, meine schöne Mutter!« wimmerte er sachte. Seine kraftlose Hand hielt meine Finger umklammert, der Tod trat ihm in die Augen. Im letzten Augenblick ließen „die Schmerzen nach, er lächelte jungenhaft und entsann sich seines königlichen Blutes. Deshalb ließ er seine Hauptleute zu sich rufen und sprach zu ihnen: »Niemand soll wegen meines Todes angeklagt werden! Ich bin von einer Wüstenkrankheit dahingerafft worden, obwohl mich der beste Arzt des Landes Chatti und der hervorragendste Heilkünstler Ägyptens nach allen Regeln ihrer Kunst gepflegt haben. Doch ist ihre Kunst machtlos geblieben, weil es der Wille des Himmels und der Erdmutter ist, daß ich sterbe. Sicherlich untersteht die Wüste nicht der Gewalt der Erdmutter, sondern den Göttern Ägyptens, und sie schützten dieses Land. Wißt daher, ihr alle, daß die Hetiter nicht in die Wüste hinausziehen sollen! Dafür ist mein Tod ein Beweis, und auch die Niederlage unserer Streitwagen in der Wüste war ein Zeichen dafür, wenn wir es auch nicht glauben wollten. Macht daher den Ärzten nach meinem Hinscheiden ein Geschenk, das meiner würdig ist! Und du, Sinuhe, grüße mir die Prinzessin Baketamon und sage ihr, daß ich sie ihres Versprechens entbinde und sehr bedauere, sie nicht zu ihrer und meiner eigenen Lust ins Ehebett tragen zu können! Wahrlich, du sollst ihr diesen Gruß überbringen! Denn noch im Sterben sehe ich sie in ihrer unvergänglichen Schönheit wie eine Märchenprinzessin vor mir, obwohl ich sie nie in Wirklichkeit erblickt habe.«
    Er starb mit einem Lächeln auf den Lippen – denn nach großen Schmerzen kommt der Tod oft als heitere Seligkeit – und seine brechenden Augen erblickten seltsame Erscheinungen. Ich betrachtete ihn zitternd und sah dabei nur noch den Menschen in ihm, sah ihn als meinesgleichen und dachte nicht mehr an seinen Stamm, seine Sprache oder seine Hautfarbe, sondern nur noch daran, daß er durch meine Hand um meiner Bosheit willen hatte sterben müssen, obwohl er als Mensch mein Bruder war. Und so abgestumpft mein Herz auch durch alle Todesfälle war, denen ich in meinem Leben beigewohnt hatte, zitterte es trotzdem beim Anblick des sterbenden Prinzen Schubattu. Deshalb strömten mir die Tränen über die Wangen auf meine Hände. Ich raufte

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