Sinuhe der Ägypter
du mich noch einmal berührst, werde ich auf dein Lager spucken und dich so schmählich betrügen, wie es noch keine Frau ihrem Mann angetan hat! Um Schande über dich zu bringen, werde ich mit Sklaven und Trägern verkehren und auf den Plätzen Thebens den Eseltreibern beiliegen. Kein Mann ist so niedrig, daß ich mich ihm nicht hingeben würde, um deine Ehre zu besudeln, falls du dich erdreisten solltest, mich nochmals anzurühren. In meinen Augen gibt es in ganz Ägypten keinen erbärmlicheren Menschen: deine Hände und dein ganzer Leib riechen nach Blut, und mich ekelt vor deinen Annährungen.«
Aber ihr Widerstand reizte Haremhabs Verlangen, das immer heißer wurde, und beim Anblick ihrer schmalen Wangen und schlanken Hüften und ihres höhnischen Mundes begann er zu keuchen und vermochte die Hände nicht mehr zu beherrschen. Deshalb kam er zu mir, klagte bitterlich und sagte: »Sinuhe, warum muß es so sein, und was habe ich Böses getan, daß meine Frau sich mir verweigert? Du weißt, wieviel ich geleistet habe, um sie zu gewinnen und mich ihrer durch meinen Ruhm würdig zu erweisen. Du weißt auch, daß ich die schönen Frauen, welche mir die Soldaten als Beute ins Zelt brachten, nicht oft angerührt, sondern meist meinen Soldaten überlassen habe. Wahrlich, an meinen Fingern und Zehen kann ich die Weiber abzählen, mit denen ich in all diesen Jahren der Fleischeslust gepflegt habe; auch habe ich keine große Freude daran gehabt, weil ich immer an Baketamon dachte, die mir bezaubernd wie der Mond erschien. Welcher Fluch verbittert mein Leben und verdüstert mir den Sinn wie Schlangengift?«
Ich erwiderte: »Kümmere dich nicht um ein närrisches Frauenzimmer! Sie leidet ihres Stolzes wegen mehr als du. Theben wimmelt von schönen Weibern, und das geringste Sklavenmädchen kann dir das gleiche spenden wie sie.« Aber Haremhab wandte ein: »Du sprichst gegen dein eigenes Herz, Sinuhe! Du weißt sehr gut, daß die Liebe sich nicht befehlen läßt!« Ich warnte: »Versuche nicht, ihre Liebe zu erzwingen; denn daraus entsteht nur Böses!« Aber Haremhab glaubte mir nicht, sondern meinte: »Sinuhe, gib mir ein Schlafmittel für sie, damit ich sie wenigstens im Schlummer nehmen und genießen kann! Denn, wahrlich, die Frau schuldet mir viel Wollust.«
Ich verweigerte ihm eine solche Arznei; aber er wandte sich an andere Ärzte, und diese überreichten ihm gefährliche Mittel, durch welche die Frauen liebestoll und wie von einem inneren Brand verzehrt werden. Diese Arzneien gab Haremhab Baketamon heimlich ein; doch wenn er sich aus ihrer Umarmung löste, haßte sie ihn noch mehr als zuvor und sprach: »Vergiß meine Worte nicht, und denke an meine Warnung!« Haremhab aber war blind und verrückt in seinem maßlosen Verlangen nach ihr und brachte sie dazu, Wein und betäubende Säfte zu trinken, bis sie einschlief, gefühllos ward und keinen Widerstand mehr leistete. Wieviel Genuß Haremhab dabei hatte, kann ich nicht sagen; doch glaube ich, daß ihm die Fleischeslust bitter schmeckte und die Liebe herb wurde. Deshalb fuhr er bald nach Syrien, um den Krieg gegen die Hetiter vorzubereiten. Er sagte: »In Kadesch haben die großen Pharaonen die Grenzsteine Ägyptens aufgerichtet, und ich werde erst dann zufrieden sein, wenn meine Streitwagen in Kadesch einfahren.«
Aber als die Prinzessin Baketamon merkte, daß wieder ein Korn für sie zu keimen begann, schloß sie sich in ihre Zimmer ein, um keinen Menschen mehr zu sehen, und sann in Einsamkeit über ihre Erniedrigung nach. Die Diener und Sklaven mußte ihr das Essen vor die Tür stellen, und sie verzehrte davon so wenig, daß die Ärzte des goldenen Hauses ihren Tod befürchteten. Als die Zeit der Niederkunft herannahte, ließen sie Baketamon insgeheim bewachen, weil sie befürchteten, sie wolle im Verborgenen gebären und ihr Kind in einem Binsenboot den Strom hinabschicken, wie die Mütter taten, für welche die Geburt eines Kindes eine Schande bedeutete. Sie tat dies aber nicht, sondern berief in ihrer schweren Stunde die Ärzte zu sich, und die Schmerzen der Entbindung entlockten ihr ein Lächeln, und frohlockend in ihren Qualen gebar sie Haremhab einen Sohn. Ohne den Vater zu befragen, gab sie ihm den Namen Sethos, denn so sehr haßte sie dieses Kind, daß sie ihm den Namen Seths verlieh und es Sohn des Seth nannte.
Nachdem sie sich von der Geburt erholt hatte, ließ sie sich den Leib einreiben und das Gesicht schminken, kleidete sich in königliches Linnen,
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