Sinuhe der Ägypter
Andenken und als Zaubermittel zur Verführung widerspenstiger Frauen. Das war die Hochzeitsnacht meines Freundes Haremhab. Wieviel Freude er daran hatte, weiß ich nicht; denn kurz darauf zog er sein Heer bei der ersten Stromschnelle im Süden zusammen, um den Krieg im Lande Kusch zu beginnen. Die Priester Sekhmets jedoch litten während des Krieges keinen Mangel an Opfern, sondern wurden vor Überfluß an Fleisch und Wein in ihrem Tempel feist und rund.
Der Priester Eje jauchzte, von seiner Macht geblendet, und sprach zu mir: »In ganz Ägypten gibt es niemand, der über mir stünde! Es hat nichts mehr zu bedeuten, ob ich lebe oder sterbe: der Pharao ist unsterblich in alle Ewigkeit, und nach meinem Ableben besteige ich den goldenen Nachen meines Vaters Ammon und segle über den Himmel geradenwegs nach dem Lande des Westens. Und das ist gut! Ich will nicht, daß mein Herz auf der Waage des Osiris gewogen werde; denn die Beisitzer seines Gerichts, die gerechten Paviane, könnten schwere Anklagen gegen mich erheben und mein Baa dem Verschlinger in den Rachen werfen! Ich bin ein alter Mann, und es geschieht des öfteren in der Nacht, daß mich meine Untaten aus der Finsternis anstieren. Deshalb bin ich froh, Pharao zu sein und den Tod nicht mehr fürchten zu müssen.«
So sprach er zu mir, weil ich durch meine Taten an ihn gekettet war und nichts Böses über ihn sagen konnte, was nicht auch mich selbst betroffen hätte. Er war ein müder, alter Mann, dessen Knie beim Gehen wankten, dessen Gesicht runzlig und wachsgelb und dessen Haar ergraut war. Er fühlte sich einsam und wandte sich an mich, weil uns gemeinsam begangene Verbrechen verbanden und er vor mir nichts zu verbergen brauchte. Ich aber lachte höhnisch über seine Worte und verspottete ihn, indem ich sagte:
»Du bist ein alter Mann, und ich hätte dichg für klüger gehalten. Bildest du dir ein, daß dich das stinkende Öl der Priester plötzlich unsterblich gemacht hat? Wahrlich, du bleibst auch mit der königlichen Kopfbedeckung der gleiche Mann; bald erreicht dich der Tod, und du bist nichts mehr.«
Da begann sein Mund zu zittern, der Schreck sah ihm aus den Augen, er wimmerte laut und sagte: »Habe ich denn alle meine Untaten umsonst begangen und mein Leben lang vergeblich den Tod um mich gesät? Nein, sicherlich irrst du dich, Sinuhe! Die Priester werden mich aus den Schlünden des Totenreichs erretten und meinen Leib für die ewige Erhaltung bereiten. Denn der Leib eines Pharao ist göttlich, und göttlich sind auch meine Taten, deretwegen mich niemand anklagen kann, weil ich der Pharao bin.«
So begann sich sein Verstand zu umnachten, und er hatte an seiner Macht keine Freude mehr. In seiner entsetzlichen Angst vor dem Tod lebte er nur noch seiner Gesundheit und getraute sich nicht einmal mehr, Wein zu trinken, sondern nährte sich von trockenem Brot und gekochter Milch. Seine Körperkräfte waren zu sehr verbraucht, als daß er sich noch mit Frauen hätte ergötzen können; denn in seinen besseren Tagen hatte er seinen Leib durch allerlei Mittel vergiftet, um seine Mannheit zu steigern und die Gunst der Königin Teje zu gewinnen. Jetzt begann er sich immer mehr vor Meuchelmördern zu fürchten und wagte oft tagelang nichts zu sich zu nehmen, ja nicht einmal die Früchte im Garten des goldenen Hauses wagte er noch zu pflücken aus Angst, sie könnten schon in unreifem Zustand vergiftet worden sein. So wurde er in seinen alten Tagen in das Netz seiner eigenen Untaten verstrickt, und in seiner Furcht wurde er so mißtrauisch und grausam, daß die Höflinge ihn mieden, die Sklaven seine Nähe flohen und das goldene Haus verödet und leer blieb, solange er dort als Pharao lebte.
Aber für die Prinzessin Baketamon begann ein Samenkorn zu keimen; denn die Priester hatten die Zeit ihrer Regeln berechnet und es Haremhab wissen lassen. In ohnmächtiger Wut verwüstete sie ihren Leib und zerstörte ihre Schönheit, um das Kind im Schoße zu töten, ohne dabei an ihre Selbsterhaltung zu denken. Das keimende Leben in ihrem Mutterleib aber war stärker als der Tod, und als die Zeit gekommen war, gebar sie Haremhab einen Sohn unter großen Schmerzen, weil das Kind für ihre schmalen Lenden zu groß war. Die Ärzte und Sklaven aber mußten es vor ihr verstecken, um sie zu hindern, ihm ein Leid zuzufügen. Über diesen Knaben und seine Geburt gingen später im Volk viele Sagen um: einige behaupteten, er sei mit einem Löwenhaupt zur Welt gekommen, andere
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