Sinuhe der Ägypter
blickten mich ihre Augen an, und sie fuhr gelassen fort: »Nein, ich würde mir doch kaum etwas daraus machen, denn mit deinen Augen wüßte ich nichts anzufangen, und deine Hände würden zu riechen beginnen und Fliegen in mein Zimmer ziehen. Sollten wir wirklich nichts mehr finden, was du mir schenken könntest? Denn du machst mich schwach, Sinuhe, und der Anblick deines nackten Leibes in meinem Teich raubt mir die Ruhe. Du bist zwar plump und unerfahren, aber ich glaube, du könntest in einem Tage manches von mir lernen, was du noch nicht weißt, denn ich kenne viele Bräuche, die den Männern Befriedigung schenken und an denen auch eine Frau ihre Freude haben kann. Denk daran, Sinuhe!«
Aber wie ich nach ihr haschte, stieg sie rasch aus dem Teich heraus und stellte sich hinter einen Baum, wo sie das Wasser von den Armen schüttelte. »Ich bin nur ein schwaches Weib, und die Männer sind falsch und betrügerisch«, sagte sie. »Auch du, Sinuhe, hast mich noch weiter angelogen. Mein Herz ist betrübt, und die Tränen sind mir nahe, wenn ich daran denke, denn du bist meiner offenbar überdrüssig, sonst hättest du mir nicht verheimlicht, daß deine Eltern sich ein schönes Grab in der Stadt der Toten eingerichtet und an den Tempel das nötige Geld eingezahlt haben, um ihre Leichen einbalsamieren zu lassen, damit sie dem Tod widerstehen und man ihnen die nötige Ausrüstung für die Reise in das Land im Westen mitgibt.«
Als ich dies vernahm, riß ich mir mit den Nägeln die Brust blutig und rief: »Wahrlich, jetzt glaube ich, daß dein Name Tabubue ist!«
Sie aber sagte ruhig: »Du sollst mich nicht tadeln, weil ich keine verachtenswerte Frau sein möchte. Ich habe dich auch nicht gebeten, zu mir zu kommen, sondern du kamst von selbst. Wohlan, jetzt weiß ich, daß du mich nicht liebst, sondern nur kommst, um mich zu verhöhnen, nachdem du eine so unbedeutende Sache zum Hindernis zwischen uns werden läßt.«
Tränen rannen mir über die Wangen, und ich stöhnte laut vor Schmerz, doch ging ich auf sie zu, und sie berührte meinen Leib ganz leicht mit ihrem Leibe. »Der bloße Gedanke ist schon sündhaft und gottlos«, sagte ich. »Wie sollte ich meine Eltern des ewigen Lebens berauben und ihre Leichname in nichts aufgehen lassen, wie es mit den Leichen der Sklaven und der Armen und derer, die man ihrer Verbrechen wegen in den Strom wirft, geschieht? Das kannst du nicht von mir verlangen.«
Aber sie lehnte ihren nackten Leib an den meinigen und sagte: »Überlasse mir das Grab deiner Eltern, und ich flüstere dir ›mein Bruder‹ ins Ohr, und mein Schoß wird von holdem Feuer für dich erfüllt sein, und ich werde dich tausend Dinge lehren, von denen du nichts weißt und die einen Mann erfreuen.«
Und ich konnte mich nicht mehr beherrschen, sondern weinte und sagte: »Dein Wille soll geschehen, und dein Name sei in Ewigkeit verflucht, aber ich kann dir nicht widerstehen, so furchtbar ist der Zauber, mit dem du mich gebunden hältst.«
Sie aber sagte: »Sprich bitte nicht von Zauber mit mir, denn dadurch beleidigst du mich sehr, da ich doch keine verachtenswerte Frau bin, sondern in meinem eigenen Hause wohne und auf meinen Ruf achte. Aber da du so langweilig und schlechter Stimmung bist, werde ich durch einen Diener einen gesetzeskundigen Schreiber holen lassen, und inzwischen wollen wir essen und Wein trinken, damit unsere Herzen sich freuen und damit wir, sobald der Papyrus fertig ist, miteinander der Wollust genießen können.« Sie lachte fröhlich und lief ins Haus hinein.
Ich zog mich an und folgte ihr, und die Diener gossen Wasser über meine Hände und verneigten sich vor mir und streckten die Hände in Kniehöhe vor. Hinter meinem Rücken aber lachten sie und verhöhnten mich, so daß ich es hören konnte, obwohl ich tat, als wäre ihr spöttisches Gerede nur Fliegengesumm in meinen Ohren. Als Nefernefernefer herunterkam, schwiegen sie sofort, und wir aßen und tranken zusammen. Es gab fünf verschiedene Fleischgerichte und zwölf Arten Backwerk, und wir tranken gemischten Wein, der rasch zu Kopf steigt. Der gesetzeskundige Schreiber erschien und fertigte die nötigen Papyri aus, und ich überließ Nefernefernefer das Grab meiner Eltern in der Stadt der Toten mit der ganzen Ausrüstung sowie ihre Einzahlung im Tempel, so daß sie beide des ewigen Lebens und der Möglichkeit verlustig gingen, nach dem Tode in das Land des Westens zu reisen. Ich drückte meines Vaters Siegel auf den Papyrus und
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