Sinuhe der Ägypter
bitterlich über sein Kupfer und sein Silber.
Ich eilte zum Haus meines Vaters und sah, daß seine Türen aufgebrochen und die Siegel der Gerichtsdiener an den Möbeln angebracht waren. Nachbarn standen auf dem Hof herum und hoben die Hände zum Zeichen der Trauer, aber keiner sprach ein Wort mit mir, sondern alle wichen entsetzt vor mir zurück. Aber in dem inneren Zimmer ruhten Senmut und Kipa auf ihrem Lager, und ihre Gesichter waren rot, als lebten sie noch, und auf dem Boden stand ein noch glühendes Kohlenbecken, denn sie waren bei dichtverschlossenen Türen und Fensterläden durch Kohlengase erstickt. Ohne mich um das Siegel der Gerichtsdiener zu kümmern, wickelte ich die beiden Leichname in das Leichentuch und holte einen Eseltreiber. Mit seiner Hilfe lud ich sie auf den Rücken des Esels und brachte sie in das Haus des Todes. Aber im Haus des Todes wurde ihnen die Aufnahme verweigert, denn ich besaß nicht einmal für die billigste Balsamierung genügend Silber. Da sagte ich zu den Leichenwäschern:
»Ich bin Sinuhe, Senmuts Sohn, und mein Name steht im Buch des Lebens, obgleich mich ein so hartes Schicksal getroffen hat, daß ich nicht mehr genügend Silber für die Bestattung meiner Eltern besitze. Deshalb bitte ich euch bei Ammon und allen Göttern Ägyptens, die Leichen meiner Eltern einzubalsamieren, damit sie dem Tod widerstehen, und ich will euch mit meiner ganzen Kunst zu Diensten sein, solange die Balsamierung der Leichen währt.«
Sie fluchten über meinen Starrsinn und beschimpften mich, aber schließlich nahm der von der Pest zerfressene Oberwäscher Kaptahs Kupfer und Silber an und schlug einen Haken in das Kinn meines Vaters und warf ihn in das große Becken der Armen. Und er schlug einen Haken auch in meiner Mutter Leib und warf sie in das gleiche Becken. Es gab im ganzen dreißig Becken, und jeden Tag wurde eines davon angefüllt und ein anderes geleert, in der Weise, daß die Leichen der Armen im ganzen dreißig Tage in Salz und Lauge lagen, um widerstandsfähig gegen die Verwesung zu werden. Weiter wurde nichts zu ihrer Balsamierung getan, aber das wußte ich damals noch nicht.
Ich mußte noch einmal in meines Vaters Haus gehen, um das Leichentuch, welches das Siegel der Gerichtsdiener trug, zurückzuerstatten. Der Oberwäscher lachte höhnisch und sagte: »Beeile dich, damit du vor dem Morgen wieder da bist, denn wenn du nicht bis dahin zurückgekehrt bist, um uns zu dienen, ziehen wir die Leichen deiner Eltern aus dem Becken und werfen sie vor die Hunde.« Daraus entnahm ich, daß er mich nicht für einen bevollmächtigten Arzt, sondern für einen Betrüger hielt.
Ich kehrte in meines Vaters Haus zurück, und das Herz war wie ein Stein in meiner Brust, obgleich die verwitterten Lehmziegel der Wände mich anredeten. Jeder Ziegel redete mich an, und die alte Sykomore auf dem Hof redete mich an, und auch der Teich meiner Kindheit. Deshalb ging ich rasch meines Weges, nachdem ich das Tuch an seinen Platz gelegt hatte, aber beim Tor kam mir ein Schreiber entgegen, der seinen Beruf an der nächsten Straßenecke, neben dem Laden des Gewürzhändlers, ausübte. Als er mich erblickte, hob er die Hände zum Zeichen der Trauer und sagte:
»Bist du Sinuhe, der Sohn des rechtschaffenen Senmut?«
Und ich antwortete ihm: »Der bin ich.«
Der Schreiber sagte: »Fliehe nicht vor mir, denn dein Vater hat mir eine Botschaft hinterlassen, die er dir selbst überbringen wollte, als er dich nicht zu Hause traf.« Da sank ich zu Boden und bedeckte mein Gesicht mit den Händen, der Schreiber aber zog einen Brief hervor und las ihn mir vor: »Senmut, dessen Name im Buch des Lebens eingetragen ist, und sein Weib Kipa schicken ihrem Sohn Sinuhe, der im Hause des Pharao den Namen ›Er, der einsam ist‹ erhalten hat, diesen Gruß. Die Götter sandten dich zu uns, und immer hast du uns nur Freude und niemals Kummer bereitet, und unser Stolz auf dich ist groß gewesen. Jetzt sind wir deinetwegen betrübt, weil du Unglück gehabt hast und wir dir nicht so helfen können, wie wir möchten. Und wir glauben, daß du in allem, was du tatest, recht gehandelt hast und nicht anders hättest handeln können. Traure nicht um uns, auch wenn du unser Grab verkaufen mußtest, denn sicherlich hättest du es nicht getan, wenn dich nicht triftige Gründe gezwungen hätten. Aber die Gerichtsdiener haben es eilig, und wir haben keine Muße mehr, auf unsern Todestag zu warten, denn der Tod ist uns willkommen wie der Schlaf dem
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