Sinuhe der Ägypter
unterschrieb mit seinem Namen, und der Schreiber übernahm es, die Papyri noch am selben Tag in das königliche Archiv zu senden, damit sie Rechtskraft erhielten. Nefernefernefer aber händigte der Schreiber eine Beglaubigung über dieses Geschäft aus, und sie legte sie gleichgültig in den schwarzen Schrein und entlohnte den Schreiber für seine Mühewaltung, so daß der Mann sich unter Verbeugungen und mit zur Kniehöhe ausgestreckten Händen entfernte.
Als er gegangen war, sagte ich: »Von diesem Augenblick an, Nefernefernefer, bin ich ein Verfluchter und vor den Göttern wie vor den Menschen Entehrter. Beweise mir nun, daß meine Tat ihren Preis wert war.« Sie aber lächelte und sagte: »Trinke Wein, mein Bruder, um dein Herz zu erquicken.« Als ich sie an mich ziehen wollte, wich sie mir aus und goß mehr Wein aus dem Krug in meinen Becher. Nach einer Weile betrachtete sie die Sonne und sagte: »Siehe, der Tag geht zur Neige und der Abend naht. Was willst du noch, Sinuhe?«
»Du weißt genau, was ich will«, sagte ich. Sie aber fragte: »Du weißt wohl, Sinuhe, welcher Brunnen am tiefsten und welche Grube bodenlos ist? Deshalb muß ich mich beeilen, mich umzuziehen und mein Gesicht malen, denn ein goldener Becher wartet darauf, morgen mein Heim zu schmücken.« Als ich sie umarmen wollte, entglitt sie mir und lachte schrill und rief mit lauter Stimme, so daß die Diener hereingestürmt kamen. Und sie sagte zu ihnen: »Wie kommt dieser unausstehliche Bettler in mein Haus? Werft ihn ohne Zögern hinaus und laßt ihn nie mehr durch meine Tür treten, und sollte er sich erkühnen, Widerstand zu leisten, so schlagt ihn mit Stöcken.«
Und die Diener warfen mich, ohnmächtig wie ich vom Wein und von der Wut war, vor die Tür, und als ich mit einem Stein dagegen zu schlagen begann, kamen sie heraus und hieben mit Stöcken auf mich ein. Als ich immer weiter lärmte und schrie und Leute sich anzusammeln begannen, da sagten sie: »Dieser betrunkene Kerl hat unsere Herrscherin beleidigt, die in ihrem eigenen Hause wohnt und keine verachtenswerte Frau ist.« Sie schlugen mich so lange mit Stöcken, bis ich bewußtlos auf der Straße liegenblieb, wo die Menschen mich anspuckten und die Hunde meine Kleider mit ihrem Wasser beschmutzten.
Aber als ich wieder zu mir kam und meines ganzen Elends gewahr wurde, mochte ich nicht aufstehen, sondern blieb bis zum Morgen unbeweglich auf der Stelle liegen. Die Finsternis gewährte mir Schutz, und mir war, als könne ich keinem Menschen mehr mein Antlitz zeigen. Der Thronerbe hatte mir den Namen »Er, der einsam ist« verliehen, und in dieser Nacht war ich wahrlich der einsamste Mensch der Welt. Aber im Morgengrauen, als wieder Leute in den Straßen auftauchten und die Kaufleute ihre Waren vor den Läden zur Schau ausbreiteten und die Ochsen ihre Schlitten zu ziehen begannen, da erhob ich mich und ging vor die Stadt hinaus und hielt mich drei Tage und drei Nächte lang, ohne zu essen und zu trinken, im Schilf verborgen. Mein Leib und mein Herz waren wie eine einzige Riesenwunde. Ich fürchtete, den Verstand zu verlieren, und hätte mich jemand zu jener Zeit angesprochen, ich würde laut geschrien und getobt haben.
Am dritten Tag wusch ich mein Gesicht, meine Füße und das Blut aus meinen Kleidern und kehrte in die Stadt zurück und ging nach Hause. Doch das Haus gehörte nicht mehr mir, und an der Tür war das Berufszeichen eines fremden Arztes angebracht. Ich rief nach Kaptah, und er kam gelaufen und schluchzte vor Freude und schlang seine Arme um meine Knie.
»O mein Herr«, sagte er, »denn in meinem Herzen bist du immer noch mein Herr, wer auch immer über mich befehlen sollte. Ein junger Herr ist gekommen, der glaubt, ein großer Arzt zu sein. Er probiert deine Kleider an und lacht vor Freude. Seine Mutter ist bereits in der Küche gewesen und hat mir heißes Wasser über die Füße gegossen und mich Ratte und Mistfliege gescholten. Deine Patienten aber vermissen dich und behaupten, seine Hand sei nicht so leicht wie die deine und seine Behandlung sei über alle Maßen schmerzhaft. Auch kenne er ihre Leiden nicht so gut wie du.«
Er plapperte noch lang drauflos, und sein einziges, rotgerändertes Auge war voller Schrecken, als er mich betrachtete, so daß ich schließlich sagte: »Erzähle mir nur alles, Kaptah! Mein Herz ist ohnehin wie ein Stein in meiner Brust, und nichts bewegt mich mehr.«
Da streckte er die Arme zum Zeichen tiefster Trauer empor und sagte: »Mein
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