Sinuhe der Ägypter
Kopf in die Hände legen und den Kummer und die Enttäuschung meines Herzens klagen. Aber auf der Veranda saß ein Gast, der eine geflochtene Perücke trug und in ein buntes syrisches Gewand gekleidet war. Er begrüßte mich kühl und bat um einen ärztlichen Rat.
»Ich empfange keine Patienten mehr«, sagte ich, »denn das Haus gehört nicht mehr mir selbst.«
»Ich habe schlimme Knoten an den Füßen«, sagte er und mischte syrische Worte in seine Rede. »Dein kluger Sklave Kaptah hat dich wegen deiner Fähigkeit, solche Knoten zu behandeln, empfohlen. Befreie mich also von meiner Qual, und du wirst es nicht zu bereuen haben.«
Er war so eigensinnig, daß ich ihn schließlich in mein Arbeitszimmer führte und nach Kaptah rief, damit er mir heißes Wasser für die Behandlung bringe. Aber Kaptah war verschwunden, und erst als ich die Füße des Syriers untersuchte, erkannte ich, daß es Kaptahs schwärende Gichtfüße waren. Kaptah nahm die Perücke ab, entblößte sein Gesicht und lachte laut über mich.
»Was ist das für ein Unfug?« fragte ich und hieb mit meinem Stock auf ihn ein, daß ihm das Lachen rasch verging und sich in Wehgeschrei verwandelte. Nachdem ich den Stock weggeworfen hatte, sagte er:
»Da ich nicht mehr dein Sklave, sondern der eines anderen bin, kann ich dir ruhig erzählen, daß ich im Sinn habe zu fliehen, und deshalb wollte ich sehen, ob du mich in dieser Verkleidung kennen würdest.«
Ich erinnerte ihn an die Strafen, welche entwichenen Sklaven drohen, und prophezeite ihm, daß er unfehlbar eines Tages erwischt würde, denn womit wollte er sich ernähren. Er aber erwiderte: »Nachdem ich viel Bier getrunken, hatte ich in der Nacht einen Traum. In diesem Traum sah ich dich, Herr, in einem brennenden Ofen liegen, aber ich kam hinzu und sprach gestrenge Worte und packte dich beim Genick und tauchte dich in fließendes Wasser, und es entführte dich. Ich ging auf den Markt und fragte einen Traumdeuter, was der Traum zu bedeuten habe, und er erklärte, daß mein Heir in Gefahr schwebe, daß ich wegen meiner Kühnheit viele Hiebe mit dem Stock erhalten und daß mein Herr eine weite Reise machen werde. Dieser Traum ist wahr, denn man braucht nur dein Gesicht anzusehen, Herr, um zu wissen, daß du in großer Gefahr schwebst, und den Stock habe ich bereits zu spüren bekommen, und so wird wohl auch der Rest des Traumes wahr sein. Deshalb habe ich mir diese Kleidung verschafft, damit man mich nicht erkenne, denn ich werde dich auf deiner Reise begleiten.«
»Deine Treue rührt mich, Kaptah«, sagte ich und versuchte, höhnisch zu sein. »Es mag wahrhaftig stimmen, daß eine weite Reise vor mir liegt, doch wenn dem so ist, wird sie mich in das Haus des Todes führen, und dorthin wirst du mich wohl kaum begleiten wollen.«
»Keiner kennt die Zukunft«, sagte Kaptah frech. »Du bist noch jung und grün, mein Herr, wie ein Kalb, dessen Mutter es noch nicht reingeleckt hat. Deshalb wage ich nicht, dich allein die schwere Reise in das Haus des Todes und das Land im Westen unternehmen zu lassen. Wahrscheinlich werde ich dich begleiten, um dir mit meiner Erfahrung beizustehen, denn ich habe dich trotz all deiner Torheit ins Herz geschlossen, und ich habe nie einen Sohn besessen, obwohl ich gewiß zahlreiche Kinder gezeugt habe. Nur habe ich sie nie gesehen und will mir daher vorstellen, du seist mein Sohn. Das sage ich nicht, um dich zu kränken, sondern um dir zu beweisen, mit welchen Gefühlen ich dich betrachte.«
Seine Unverschämtheit ging zu weit, doch mochte ich ihn nicht mehr mit dem Stock behandeln, nachdem er nicht mehr mein Sklave war. Ich schloß mich in mein Zimmer ein, bedeckte meinen Kopf und schlief wie ein Toter bis zum Morgen, denn wenn die Schmach und Reue eines Menschen groß genug sind, wirken sie wie ein Betäubungsmittel. Doch als ich am Morgen erwachte, entsann ich mich als erstes der Augen und des Leibes Nefernefernefers, und ich glaubte ihren glatten Kopf zwischen meinen Händen zu halten und ihren Busen an meiner Brust zu fühlen. Warum, kann ich nicht sagen; aber vielleicht hatte sie mich wirklich in einer mir unbekannten Weise verhext, obgleich ich nicht eigentlich an Zauberkünste glaube. Ich weiß nur, daß ich mich wusch und anzog und mein Gesicht salbte, um zu ihr zu gehen. 2
Nefernefernefer empfing mich in ihrem Garten am Lotosteich. Ihre Augen waren klar und froh und grüner als das Wasser des Nils. Als sie mich erblickte, entschlüpfte ihrem Mund ein Ausruf der
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