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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Mißliebigen umbringen lassen kann, ohne daß jemand es erfahren und ohne daß dein Name in die Sache verwickelt wird. So groß ist meine Freundschaft für dich.«
    Nach diesen Worten umarmte er mich nach syrischer Sitte, und ich sah, daß er mich verehrte und bewunderte, denn er nahm die Goldkette von seinem Hals und hängte sie mir um den Hals, obwohl das zweifellos ein großes Opfer für ihn bedeutete, denn er seufzte tief dabei. Deshalb nahm ich meine eigene goldene Halskette ab, die eine Gabe des reichsten Reeders von Simyra war, dem ich das Leben seiner Frau bei einer schweren Entbindung gerettet hatte, und hängte sie ihm um; und er verlor nicht bei dem Tausch, was ihn sehr erfreute. So nahmen wir Abschied voneinander.

    3

    Nachdem ich jenes Weib losgeworden war, fühlte sich mein Herz leicht und beschwingt wie ein Vogel, und meine Augen sehnten sich nach neuen Dingen, und Ratlosigkeit erfüllte meinen Sinn, so daß ich mich nicht länger in Simyra heimisch fühlte. Wieder war es Frühling, im Hafen wurden die Schiffe für lange Reisen ausgerüstet, und als der Boden zu grünen begann, gingen die Priester zur Stadt hinaus, um ihren Gott Tamuz wieder auszugraben, den sie im Herbst unter großem Wehklagen und unter blutigen Selbstquälereien begraben hatten.
    In meiner Ratlosigkeit folgte ich den Priestern und dem Menschenstrom, und der Boden war leuchtend grün, das Laub sproß an den Bäumen, die Tauben girrten, und die Frösche quakten in den Teichen. Die Priester wälzten den Stein von der Grabesöffnung, holten ihren Gott hervor und brachen in Jubelrufe aus, weil er, wie sie behaupteten, wieder zum Leben auferstanden sei. Auch das Volk brach in Freudengeschrei aus, brüllte, tobte und brach Zweige von den Bäumen und trank Wein und Bier an den Marktständen, die die Kaufleute in größter Eile um das Grab herum aufgeschlagen hatten. Als die Nacht herniedersank, warfen die Frauen ihre Kleider von sich und liefen über die Wiesen, und niemand fragte danach, ob sie verheiratet oder ledig waren, sondern ein jeder nahm, wen er gerade erhaschen konnte, so daß die Wiesen und Hänge von Liebespaaren wimmelten. Auch hierin unterschieden sie sich von den Ägyptern. Bei ihrem Anblick spürte ich Neid und dachte, daß ich gewiß schon bei der Geburt alt war, so wie das schwarze Land älter als alle anderen Länder ist, während dies hier junge Völker sind, die ihren Göttern auf ihre Weise huldigten.
    Mit dem Frühling verbreitete sich auch die Kunde, daß die Chabiri aus der Wüste eingefallen waren, die syrischen Grenzgebiete von Süden bis Norden plünderten, Dörfer verbrannten und Städte belagerten. Aber auch die Streitkräfte des Pharao kamen aus Tanis durch die Wüste Sinai gezogen und bekämpften die Chabiri, nahmen ihre Anführer gefangen und trieben sie in die Wüste zurück. Dies geschah regelmäßig jeden Frühling. Diesmal aber waren die Einwohner Simyras besorgt, denn die Chabiri hatten eine Stadt trotz ihrer ägyptischen Garnison geplündert, ihren König getötet und alle Ägypter, sogar Frauen und Kinder, mit dem Schwert erschlagen, statt sie gefangenzunehmen und Lösegeld zu verlangen. So etwas war seit Menschengedenken nicht vorgekommen, da die Chabiri für gewöhnlich befestigte Städte mieden.
    Somit war der Krieg in Syrien ausgebrochen, und ich hatte noch nie einen Krieg gesehen. Deshalb begab ich mich zu den Truppen des Pharao, denn ich wollte den Krieg erleben, um zu sehen, ob er mir etwas zu sagen habe, und um die von Schlagwaffen und Streitkolben verursachten Wunden zu studieren. Vor allem aber reiste ich hin, weil Haremhab Befehlshaber der Truppen des Pharao war und ich mich in meiner Einsamkeit danach sehnte, das Gesicht eines Freundes zu sehen und seine Stimme zu vernehmen. Deshalb focht ich einen Kampf mit mir selber aus und kam zu dem Schluß, daß er mich ja nicht mehr zu kennen brauche, falls er sich meiner Missetat schäme. Doch die Zeit war vergangen, und in zwei Jahren war mir vieles widerfahren, und vielleicht war auch mein Herz abgestumpft, denn die Erinnerung an meine Schmach flößte mir nicht mehr das gleiche Entsetzen ein wie früher. Deshalb machte ich mich auf und fuhr mit einem Schiff längs der Küste südwärts, um dann einer Proviantkolonne, deren Ochsen Getreidekisten zogen und deren Esel Öl- und Weinkrüge und Zwiebelsäcke trugen, in das Landesinnere zu folgen. So gelangte ich in eine kleine, auf einem Berg gelegene, von Mauern umgebene Stadt namens Jerusalem.

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