Sinuhe der Ägypter
seinem Namen gelernt, die auf die Soldaten Eindruck machen. Aber ich verstehe schon, daß Ammon zu mächtig geworden ist und daß der neue Gott daher mit ihm wetteifern soll, um die Macht des Pharao zu festigen. Das hat mir die große königliche Mutter selbst gesagt; und auch der Priester Eje, der jetzt den Krummstab zur Rechten des Königs trägt, hat es bestätigt. Mit Hilfe Atons wollen sie Ammon stürzen oder wenigstens dessen Macht beschränken, denn es schickt sich wahrlich nicht, daß die Priester Ammons über dem König stehen und Ägypten beherrschen. Das ist staatsklug und richtig gedacht, und als Soldat verstehe ich die Unentbehrlichkeit des neuen Gottes wohl. Auch hätte ich nichts dagegen, wenn der Pharao sich damit begnügte, ihm Tempel zu errichten und Priester in den Dienst zu stellen, aber der Pharao denkt zuviel an seinen Gott und spricht zu viel von ihm, und bei allem was geschieht, bringt er früher oder später seinen Gott zur Sprache. Damit macht er die Menschen in seiner Umgebung noch verrückter, als er selbst es ist. Er behauptet, von der Wahrheit zu leben, aber die Wahrheit ist wie ein scharfes Messer in einer Kinderhand, und noch gefährlicher wird sie in der Hand eines Toren, denn das Messer muß in der Scheide getragen und nur bei wirklichem Bedarf verwendet werden. So verhält es sich auch mit der Wahrheit, und niemandem wird die Wahrheit gefährlicher als dem, der zu herrschen und zu befehlen hat.«
Er trank wieder Wein und fuhr dann fort: »Ich verdanke es meinem Falken, daß ich Theben verlassen durfte, denn Theben ist seines Gottes wegen ein Schlangennest geworden, und ich mag mich nicht in die Zwistigkeiten zwischen Göttern einmischen. Die Priester Ammons erzählen bereits eine Menge netter Geschichten über die Herkunft des Pharao und hetzen das Volk gegen seinen neuen Gott auf. Auch seine Ehe hat Ärgernis erregt, denn die Prinzessin von Mitani, die mit Puppen spielte, starb plötzlich, und der Pharao hat ein Mädchen namens Nofretete, eine Tochter des Priesters Eje, zur großen königlichen Gemahlin erhoben. Zwar ist Nofretete schön und kleidet sich gut, aber sie ist sehr eigenmächtig und in jeder Hinsicht die Tochter ihres Vaters.«
»Wie starb die Prinzessin von Mitani?« fragte ich, denn ich hatte dieses Kind in Theben gesehen, dessen große Augen erschrocken die Stadt betrachteten, als es, wie ein Götterbild geschmückt und gekleidet, durch die Allee der Widder zum Tempel getragen wurde.
»Die Ärzte behaupten, sie habe das Klima Ägyptens nicht vertragen«, sagte Haremhab lachend. »Das ist eine dicke Lüge, denn, wie alle wissen, hat kein Land ein gesünderes Klima als Ägypten. Aber wie du selbst weißt, ist die Kindersterblichkeit groß im Frauenhaus des Pharao, größer sogar als im Armenviertel von Theben, was fast nicht zu glauben ist. Man tut am besten, keine Namen zu nennen, doch würde ich meinerseits meinen Streitwagen vor das Haus des Priesters Eje fahren, wenn ich es bloß wagte.«
Hierauf gingen wir schlafen. Haremhab in der Lehmhütte, ich in einem mir zur Verfügung gestellten Zelt.
Am Morgen weckten mich Hornstöße, die Soldaten versammelten sich in Gruppen und ordneten sich in Reihen, und die Unteroffiziere und Befehlshaber liefen die Reihen entlang, brüllten sie an und versetzten ihnen Stöße und hieben mit den Peitschen auf sie ein. Als alle aufgestellt waren, trat Haremhab mit der Peitsche aus der Lehmhütte, und ein Diener hielt einen Sonnenschirm über sein Haupt und verjagte die Fliegen mit einer Klappe, während er eine Ansprache an die Soldaten richtete. Haremhab sagte folgendes:
»Ägyptische Soldaten! Wenn ich ägyptische Soldaten sage, so meine ich damit auch euch, ihr dreckigen Neger, und euch, ihr schmutzigen syrischen Speerwerfer, wie auch euch, Schardanen und Streitwagenführer, die ihr in dieser ganzen blökenden und brüllenden Viehherde am meisten an Soldaten und Ägypter erinnert. Ich bin langmütig gegen euch gewesen und habe euch mit viel Geduld gedrillt, aber jetzt ist meine Langmut zu Ende, und ich mag euch nicht mehr zu Übungen kommandieren, denn schon beim Marsch zum Übungsplatz stolpert ihr über eure eigenen Speere, und wenn ihr im Laufen mit den Bogen schießt, fliegen eure Pfeile in alle Himmelsrichtungen, und ihr verletzt einander und verliert die Pfeile, was wir uns nicht leisten können. Gepriesen sei der Pharao, und sein Leib in Ewigkeit erhalten! Deshalb werde ich euch heute in den Kampf führen, denn meine
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