Sinuhe der Ägypter
einförmig, und wir waren keinem einzigen Raubüberfall ausgesetzt. Die Herbergen waren mit allem Nötigen reichlich versehen, und wir aßen und tranken nach Herzenslust. An einigen Raststellen wurden wir von Kranken aufgesucht, die ich heilte. Ich ließ mich in einer Sänfte tragen; denn von Eseln hatte ich ein für allemal genug bekommen. Auch Kaptah hatte keine Vorliebe für Esel; aber ich konnte ihn nicht in meiner Sänfte neben mir sitzen lassen, denn ich hätte dadurch mein Ansehen in den Augen der übrigen Reisenden eingebüßt, weil er mein Diener war. Deshalb jammerte Kaptah gewaltig und wünschte sich den Tod. Ich erinnerte ihn daran, daß wir die Reise rascher und bequemer mit einem Schiff hätten machen können, doch dies bereitete ihm wenig Trost. Allerdings zerriß mir der trockene Wind das Gesicht, so daß ich meine Haut unaufhörlich einreiben mußte, der Staub drang mir in die Kehle, und die Sandflöhe quälten mich; aber ich fand all diese Mühseligkeiten gering, und meine Augen weideten sich an allem, was sie erblickten.
Ich sah auch Zedernwälder und darin so große Bäume, daß kein Ägypter es mir glauben würde, wenn ich davon erzählte. Doch muß ich den wunderbaren Duft dieser Wälder und die kristallene Klarheit ihrer Bäche erwähnen, die mich auf den Gedanken brachten, daß kein Bewohner dieses herrlichen Landes ganz unglücklich sein könne. So dachte ich, bis ich die Sklaven sah, die damit beschäftigt waren, Bäume zu fällen und zu zerteilen, um sie dann die Berghänge hinab ans Meeresufer zu befördern. Das Elend dieser Sklaven war groß, ihre Arme und Beine waren übersät mit eitrigen, von der Baumrinde und den Werkzeugen verursachten Wunden, und in den von Peitschenhieben hinterlassenen Striemen wimmelte es von Fliegen, so daß mich ihr Anblick anderer Auffassung werden ließ.
Kaptah unterhielt sich damit, auszurechnen, wie reich er sein könnte, falls er all diese Stämme, auf die Uferkais von Theben ausgeladen, besäße. Er berechnete, daß ein anspruchsloser Mann für den Preis eines einzigen Baumes seine Familie lebenslänglich ernähren, seine Söhne zu Schreibern ausbilden lassen und seine Töchter gut verheiraten könnte. Er versuchte, die Bäume zu zählen; aber ihre Zahl war unendlich groß, er wurde ganz verwirrt im Kopf und begann immer wieder von neuem zu zählen, bis er schließlich in Klagen ausbrach: »Es tut mir im Herzen weh, diesen unermeßlichen Reichtum zu keinem Nutzen im Winde schwanken zu sehen.« Deshalb bedeckte er das Haupt mit seinem Gewand, um die Bäume nicht mehr sehen zu müssen. Doch als ich das hehre Rauschen in den Wipfeln der Zedern vernahm, sagte ich mir, daß dieses Erlebnis allein die lange Reise lohne.
Schließlich gelangten wir in die Stadt Kadesch mit ihrer Festung und der großen ägyptischen Garnison. Aber auf den Festungsmauern standen keine Wächter, die Wallgräben waren eingestürzt, und die Soldaten wie die Offiziere lebten mit ihren Familien in der Stadt und entsannen sich ihres Kriegerberufes nur an den Tagen der Verteilung von Getreide, Zwiebeln und Bier. Wir blieben eine Zeitlang in der Stadt, damit das wundgerittene Hinterteil Kaptahs vernarbe. Ich heilte viele Kranke; denn die ägyptischen Ärzte der Stadt waren unfähige Heilkünstler, deren Namen schon längst aus dem Buch des Lebens getilgt sind, vorausgesetzt, daß sie überhaupt jemals darin gestanden. Deshalb ließen sich Kranke, die genügend Gold besaßen, in das Land Mitani bringen, um sich in die Pflege von Ärzten zu begeben, die ihre Geschicklichkeit in Babylon erworben hatten.
In Kadesch sah ich die Denkmäler, welche die großen Pharaonen hatten errichten lassen, und las die Inschriften, in denen sie von ihren Siegen, ihren erlegten Feinden und ihren Elefantenjagden berichteten. In dieser Stadt ließ ich mir auch ein Siegel in kostbaren Stein schneiden, damit man mich hochachte; denn auch die Siegel sind hier anders als in Ägypten und werden nicht als Fingerringe, sondern an einer Schnur um den Hals getragen. Sie sind zylinderförmig, haben ein Loch in der Mitte und werden über die Lehmtafel gerollt, so daß sie auf dieser ihr Bild hinterlassen. Wenn die Armen und Ungeschulten hingegen mit einer Lehmtafel zu tun haben, begnügen sie sich damit, ihren Daumen darin abzudrücken.
Kadesch war eine so freudlose und langweilige, eine so sonnenverbrannte und lasterhafte Stadt, daß sogar Kaptah zur Weiterreise drängte, obgleich er sich maßlos vor dem Eselreiten
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