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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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oder links vom Pharao stehen soll. Wenn du diesen Leuten begegnest, mußt du dich nicht um sie kümmern, sondern ihre Rede sei wie Fliegengesumm in deinen Ohren.«
    Beim Abschied legte er seine Würde ab, streichelte meine Wange, berührte meine Schultern mit dem Gesicht und sagte: »Das Herz wird mir schwer, wenn du von mir gehst, Sinuhe, denn wenn du einsam bist, so bin ich es nicht weniger, und kein Mensch kennt die Geheimnisse meines Herzens.« Ich glaube, daß er mit diesen Worten auf die Prinzessin Baketamon anspielte, die sein Herz bestrickt hatte.
    Er gab mir mehr Gold, als ich mir vorstellen konnte – ich glaube, es war alles Gold, das er in dem syrischen Feldzug gewonnen hatte –, und gab mir eine Leibwache zur Begleitung an die Küste mit, um mich vor Raubüberfällen zu schützen. An der Küste zahlte ich das Gold in ein großes Handelshaus ein und wechselte es in Lehmtafeln um, die sicherer als Gold zu befördern waren, weil Diebe keinen Nutzen davon hatten, und dann begab ich mich an Bord eines Schiffes, um nach Simyra zurückzufahren.
    Ich möchte noch erwähnen, daß ich vor meiner Abreise aus Jerusalem einem Soldaten den Schädel öffnete, der während einer Prügelei beim Atontempel im Rausch einen Keulenschlag auf den Kopf bekommen und sich einen Schädelbruch zugezogen hatte; er lag bereits in den letzten Atemzügen und konnte weder reden noch die Arme bewegen. Ich vermochte ihn jedoch nicht zu heilen, sondern sein Leib wurde heiß, und er schlug um sich und verschied am Tag darauf.

Sechstes Buch

DER TAG DES FALSCHEN KÖNIGS

    1

    Bevor ich ein neues Buch beginne, muß ich jene Zeit preisen, da ich ungehindert in vielen Ländern reisen und viel Weisheit lernen durfte; denn eine solche Zeit wird kaum je wiederkehren. Ich bereiste eine Welt, die vierzig Jahre lang keinen Krieg gesehen hatte; die Wächter der Könige wachten über die Karawanenwege und die Kaufleute, die Schiffe des Pharao und der Könige schützten den Strom und die Meere vor Seeräubern. Die Grenzen waren offen, und die Kaufleute und Reisenden, die Gold mitbrachten, waren in allen Städten willkommen; die Menschen schmähten einander nicht, sondern verneigten sich und streckten die Hände in Kniehöhe voreinander aus und lernten mancherlei von der anderen Sitten, und viele gebildete Leute sprachen mehrere Sprachen und schrieben zweierlei Schrift. Die Äcker wurden bewässert und trugen große Ernten, und statt des irdischen Nils bewässerte der himmlische die Äcker in den roten Landen. Zur Zeit meiner Reise gingen die Viehherden sicher auf den Weiden, und die Hirten trugen keine Speere, sondern bliesen auf dem Rohr und sangen frohe Lieder. Die Weinberge gediehen, und die Obstbäume bogen sich unter der Last ihrer Früchte. Die Priester waren feist und glänzten von Öl und Salben, und in allen Ländern stieg der Rauch von unzähligen Opfern aus den Vorhöfen der Tempel empor. Auch den Göttern erging es wohl; sie waren den Menschen gewogen und wurden dick von den üppigen Opferspenden. Die Reichen wurden immer reicher, die Mächtigen immer mächtiger und die Armen immer ärmer, wie es die Götter vorgeschrieben haben, so daß alle Menschen zufrieden waren und keiner murrte. So lebt diese vergangene Zeit, die wahrscheinlich nie wiederkehren wird, in meinem Gedächtnis, die Zeit meiner Jugend, da meine Glieder auf langen Reisen nicht ermüdeten, meine Augen sich wißbegierig nach neuen Dingen sehnten und mein Herz nach Weisheit dürstete und diese in reichem Maße schlürfte.
    Als Beispiel für die geordneten und ausgeglichenen Verhältnisse kann ich erwähnen, daß mir das Handelshaus des Tempels zu Babylon gegen die Lehmtafeln, die ich von meinem Handelshaus in Simyra erhalten hatte, ohne Zögern Gold aushändigte und daß ich in jeder Großstadt Wein aus dem Hafen oder von den fernen Bergen kaufen konnte, so daß man in den Städten Syriens den Wein aus den babylonischen Bergen für den besten hielt, während man in Babylon die syrischen Weine mit Gold bezahlte. Ein jeder, der Gold besaß, konnte sich Sklaven verschiedener Farbe und Gestalt kaufen, Kinder und Männer und junge Mädchen, mit denen er der Lust pflegen konnte, und er vermochte sich Diener zu halten. Wer aber kein Gold besaß, mußte mit den Armen arbeiten, bis seine Haut hart und rauh und seine Hände schwielig wurden und sein Nacken sich krümmte. Doch wenn einer in das Haus eines Reichen Einbruch verübte und Gold stahl, um Wein trinken und sich ergötzen und

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