Sinuhe der Ägypter
Sklaven kaufen zu können, wurde er festgenommen und, anderen zur Warnung, mit dem Kopf nach unten an die Mauer gehängt.
Nachdem ich so die vergangene Zeit gepriesen habe, in der auch die Sonne klarer schien und der Wind lauer war als in diesen bösen Tagen, will ich von meinen Fahrten und allem berichten, was meine Augen sahen und meine Ohren hörten. Doch zuallererst sei von meiner Rückkehr nach Simyra erzählt.
Als ich in mein Haus in Simyra zurückkehrte, kam mir Kaptah entgegen und rief mit lauter Stimme und weinte vor Freude und warf sich zu meinen Füßen und sagte: »Gesegnet sei der Tag, der meinen Herrn nach Hause bringt! So bist du doch zurückgekehrt, obgleich ich dich im Krieg gefallen wähnte; ich glaubte ganz bestimmt, ein Speer habe dir den Bauch aufgeschlitzt, weil du, ohne auf meine Warnungen zu achten, hinausgezogen bist, um den Krieg kennenzulernen. Doch unser Skarabäus ist wahrhaftig ein mächtiger Gott, der dich beschützt hat, und dies ist ein Freudentag. Mein Herz frohlockt bei deinem Anblick, und die Freude strömt mir in Tränen aus den Augen, obgleich ich bereits glaubte, dich zu beerben und all dein in den Handelshäusern von Simyra eingezahltes Gold zu erhalten. Doch trauere ich nicht um diesen verlorenen Reichtum; denn ohne dich gliche ich einem Zicklein, das seine Mutter verloren hat, und meine Tage wären finster. Auch habe ich dir während deiner Abwesenheit nicht mehr als früher gestohlen, sondern dein Haus und dein Hab und Gut gepflegt, so daß du heute reicher bist als am Tag deiner Abreise.«
Er wusch mir die Füße und goß mir Wasser über die Hände und pflegte mich in jeder Weise und hörte nicht auf mit seinem Geschrei, bis ich ihm zu schweigen befahl und sagte: »Triff unverzüglich alle nötigen Vorbereitungen; wir wollen eine lange Reise antreten, die vielleicht Jahre dauern und äußerst mühselig sein wird; denn wir fahren in das Land Mitani und nach Babylon und auf die Meeresinseln.«
Da begann Kaptah von neuem zu schreien und rief: »Wahrhaftig, mir wäre besser, ich wäre nie geboren! Auch wünschte ich, ich hätte nicht zugenommen und keine guten Tage gehabt; denn je besser es dem Menschen geht, um so schwerer fällt es ihm, auf das Gute zu verzichten. Würdest du dich wie zuvor für ein oder zwei Monate auf Reisen begeben, so hätte ich nichts zu sagen und bliebe ruhig in Simyra. Wenn aber die Reise Jahre währt, ist es möglich, daß du nie wiederkehrst und ich dich nicht mehr zu sehen bekomme. Deshalb muß ich dich begleiten und unseren heiligen Skarabäus mitnehmen; denn auf einer solchen Fahrt bedarfst du wahrlich all deines Glücks, und ohne den Skarabäus wirst du unterwegs in Abgründe stürzen und von Räubern auf die Speere gespießt. Ohne mich und meine Erfahrung bist du wie ein Kalb, das ein Dieb mit zusammengebundenen Hinterbeinen auf dem Rücken trägt, wohin er will, oder wie ein Mann mit verbundenen Augen, der vergeblich mit den Händen um sich tastet, so daß dir ein jeder, der dir begegnet, mit Freuden alles stiehlt, was er dir abnehmen kann. Doch das gestatte ich nicht; denn wenn jemand dich bestehlen soll, ist es besser, daß ich es tue, weil ich maßvoll und im Verhältnis zu deinen Mitteln stehle und dabei auf deinen Vorteil achte. Auf jeden Fall aber täten wir am besten daran, in unserem Haus in Simyra zu bleiben.«
Kaptah war nämlich mit jedem Jahr frecher geworden und sprach bereits von »unserem Haus« und »unserem Skarabäus«, und wenn er etwas bezahlte, tat er es mit »unserem Gold«. Doch ward ich dessen wie seines Gejammers überdrüssig und schlug schließlich mit einem Stock sein dickes Hinterteil, damit er einen wirklichen Grund zum Jammern hätte, indem ich sagte:
»Mein Herz verrät mir, daß du eines Tages deiner Frechheit wegen mit dem Kopf nach unten an der Mauer hängen wirst. So fasse also endlich einen Entschluß, ob du mir folgen oder hierbleiben willst, vor allem aber höre mit dem Gewinsel auf, das mir bei meinen Reisevorbereitungen die Ohren zerreißt.«
Hierauf fügte sich Kaptah in sein Schicksal, und wir trafen alle nötigen Anstalten für unsere Reise. Da er geschworen hatte, nie mehr das Deck eines Schiffes zu betreten, schlossen wir uns einer Karawane an, die nach dem nördlichen Teile Syriens unterwegs war; denn ich wollte die Zedernwälder des Libanon sehen, aus denen das Bauholz für die Paläste wie für den heiligen Nachen Ammons stammte. Über die Reise selbst ist nicht viel zu berichten. Sie war
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