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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Voltaire, der «unvergleichlichen Émilie» die Epistel zu überreichen. Falls sie Émilie mißfalle, so könne sein Sturz nur ruhmreich sein – wie bei Unglücksmenschen, die durch ihre Verbrechen bekannt geworden seien.

9.
    Françoise d’Issembourg-d’Happoncourt de Graffigny, kurz: Madame de Graffigny, hatte sich von ihrem geizigen und brutalen Mann getrennt und stand ohne Haus und Geld da.
    Émilie und Voltaire kannten ihre prekäre Lage; sie gewährten ihr Zuflucht in Cirey.
    Am 4. Dezember 1738 kam Madame de Graffigny in Cirey an.
    Im Chateau weilten noch andere Gäste.
    Madame de Graffigny setzte ihren Ehrgeiz darein, Voltaire und Émilie bei der Arbeit zu beobachten und lange Briefe an ihre Freunde zu schreiben. Ihr bevorzugter Adressat war der junge Schriftsteller François-Antoine Devaux, den sie Panpan nannte.
    Sie beschrieb die Ausstattung der Gemächer von Voltaire und Émilie: Möbel, Tapeten, Bilder, Vorhänge, Teppiche, Vasen etc. Sie beschrieb Émilies und Voltaires Garderobe. Sie beschrieb Émilies Schmuck. Sie beschrieb die Speisen – bis zu den Saucenrezepten.
    Aber eines bekam sie nicht zu Gesicht: Voltaire bei der Arbeit.
    Madame de Graffigny beschloß, Voltaire in seinem Arbeitszimmer zu besuchen.
    Auf dem Gang, an dem Voltaires Gemächer lagen, stand ein Bediensteter. Er sagte:
    «Entschuldigen Sie, Madame, Sie können hier nicht entlang. Monsieur möchte nicht gestört werden.»
    «Nun, ich versuche es trotzdem.»
    Der Bedienstete ging eilends weg.
    «Den bin ich los.»
    Madame de Graffigny klopfte an Voltaires Tür.
    Nichts.
    Sie klopfte noch einmal.
    Nichts.
    Sie klopfte zum dritten Mal und drückte die Klinke nieder.
    Die Tür war verschlossen.
    In diesem Moment stürmte Émilie herbei:
    «Madame Graffigny, was treiben Sie hier?»
    «Ich wollte Monsieur Voltaire etwas fragen. In einer privaten Sache.»
    «Sind Sie noch bei Sinnen? Wie können Sie es wagen, Monsieur Voltaire bei der Arbeit stören zu wollen. Bitte …»
    Madame de Graffigny, hochrot, zog sich zurück.
    Beim Abendessen taten alle, als sei nichts gewesen.

10.
    Im März 1738 hatte Friedrich Voltaire vorgehalten, er habe im Gespräch mit Keyserlingk Machiavell, diesen elenden Schurken, in den Rang der großen Männer seiner Zeit erhoben.
    Voltaire erwiderte, er sehe sich genötigt, darüber zu sprechen, wie Friedrich über Machiavell denke. Friedrich sei zu Recht in tugendhafte Wut geraten, weil er, Voltaire, den Stil eines schlechten Menschen gelobt habe. Die schreckliche Politik, die Machiavell lehrte, führe doch nur zum eigenen und zum Unglück anderer.
    Seine Épître sur l’humanité , die Friedrich an Voltaire gesandt und die dieser anerkennend quittiert hatte, begleitete Friedrich im Januar 1739 mit einem Kommentar, der vielversprechend klang. Die Pflicht eines Herrschers sei es, menschliches Leid zu lindern. Die Stimmen der Unglücklichen, das Stöhnen der Elenden, die Schreie der Unterdrückten müßten bis zu ihm dringen.
    Da war Friedrich noch Kronprinz.
    Friedrich arbeitete an seinem Antimachiavell , seinen guten Vorsätzen für Herrscher.
     
    Im Herbst 1739 wünschte sich Friedrich wieder einmal, Voltaire empfangen zu können; sein Haus biete Voltaire Asyl vor allen Schicksalsschlägen.
    Und er versicherte Voltaire, daß er sich so wenig mit Krieg befasse, als gäbe es gar keinen. Er arbeite an der Widerlegung Machiavells.
    Ob Voltaire bereit sei, Émilie in Cirey zu verlassen, um Friedrich in Rheinsberg zu besuchen?
    Im Januar 1740 schickte Friedrich fünf Kapitel seines Antimachiavell an Voltaire und legte es nahe, daß der Name des Verfassers ungenannt bleibe.
    Voltaire war überzeugt, daß der Antimachiavell erscheinen müsse.
    Friedrich ließ Voltaire schließlich wissen, er habe sich endgültig entschlossen, das Werk anonym erscheinen zu lassen.
    Voltaire erhielt im Februar 1740 die restlichen Teile des Antimachiavell und schlug Friedrich Korrekturen vor. Er werde den Druck gemäß den Anordnungen Friedrichs vorbereiten.
     
    Am 31. Mai 1740 starb Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm   I., der Soldatenkönig. Am selben Tag übernahm Friedrich die Regierungsgeschäfte. Friedrich, 28jährig, war jetzt preußischer König.
    In einem Brief aus Berlin-Charlottenburg beteuerte er:
     
«… werde ich am Leben sein, so werde ich Sie sehen, und das noch in diesem Jahr.»
     
    Voltaire widmete Friedrich ein Gedicht:
«Dies ist endlich meines Lebens schönster Tag, …
Der Tag, an dem Sie

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