Siren of the Seas 01 - Meer der Sehnsucht
daraus, wie ihre gesamte Familie, ihr Lebenselixier bezog.
Ambrosia ging weiter, schritt den Balkon auf und ab. Sie war fest entschlossen, Riordan Spencer aus ihren Gedanken zu verbannen. Es gab andere, wichtigere Dinge, denen sie sich endlich stellen musste.
Ihre Welt und ihr gesamtes Leben sowie das ihrer Schwestern und das der Bediensteten würden niemals wieder so werden, wie sie es gewohnt waren. Ihr über alles geliebter Vater und ihr Bruder würden niemals wieder nach Hause zurückkehren.
Gleich morgen in aller Frühe musste sie Pläne machen, wie Vater und Sohn hier an Land würdig Tribut gezollt werden konnte. Außerdem musste sie sich um den Haushalt kümmern und auch für die Zukunft ihrer Schwestern Sorge tragen. Ältere Familienangehörige und Bedienstete waren nun abhängig von ihrer, Ambrosias, Großzügigkeit. Sie hatten sonst niemanden mehr, der ihnen ein sorgenfreies Leben im Alter ermöglichen konnte.
Wie sollte sie all dies nur bewerkstelligen? Ambrosia blieb stehen und sah zum nächtlichen Himmel hoch. Der Nebel hatte sich gelichtet, so dass sogar schon wieder einzelne Sternbilder erkennbar waren.
Was, um alles in der Welt, konnte sie tun, um für alle Sicherheit zu schaffen? Ihr Vater hatte ihnen lediglich MaryCastle und die Undaunted hinterlassen.
Nun, für eine Weile würden sie sich gut halten können. Der Sommer hatte gerade erst begonnen, und die Scheunen und Kammern wurden täglich mit Vorräten gefüllt. Auch der großzügig angelegte und gut bewirtschaftete Gemüsegarten warf eine Menge an Nahrungsmitteln ab. Sie würden also so bald gewiss nicht hungern müssen. Doch irgendetwas musste sich Ambrosia einfallen lassen, um Sicherheit für den nächsten Winter zu schaffen und für die vielen Winter, die noch vor ihnen lagen.
Ihr blieb selbstverständlich die Möglichkeit, Sicherheit in einer guten Ehe zu suchen. Sie müsste sich nach jemandem umschauen, der bereit und in der Lage war, gut für sie und alle, für deren Wohlergehen sie Verantwortung trug, zu sorgen. Das zumindest würde Mistress Coffey empfehlen, dessen war sich Ambrosia vollkommen sicher.
Doch die Vorstellung, jemanden nur aus Gründen der Sicherheit zu ehelichen, fand Ambrosia abstoßend. Dabei wusste sie sehr wohl, dass Ehen häufig nur aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurden. Doch sie war in der glücklichen Lage ge wesen, die Liebe zwischen ihren Eltern zu sehen und zu erleben. Bis zum Tod ihrer Mutter hatte es zwischen ihnen eine tiefe ge genseitige Zuneigung und Zärtlichkeit gegeben. Die Trauer über den Verlust seine r innigst geliebten Frau war so überwältigend und dauerhaft gewesen, dass keine andere Frau mehr ihren Platz in John Lamberts Herz hatte einnehmen können.
Ambrosia schloss kurz die Augen und sah Riordan Spencer vor sich, wie er sie mit unergründlichem Blick ansah und ihren Puls zum Rasen brachte.
Nein! Sie würde nie und nimmer eine Ehe aus Gründen der Sicherheit eingehen. Sie wollte einen Mann, der ihr Blut in Wallung brachte und jedes Geheimnis entdeckte, das Ambrosia jemals im hintersten Winkel ihres Herzens verborgen hatte.
Sie schauerte. Ihr war kalt geworden hier draußen. Außerdem spürte sie eine bleierne Müdigkeit und sehnte sich nach etwas Ruhe vor den Gedanken, die sie plagten. Also hob sie ihre Röcke ein wenig an, um nicht zu stolpern, und machte sich eilig auf den Weg in ihr Schlafgemach.
Dort schlüpfte sie rasch in ihr Nachtgewand, bürstete sich gründlich das lange Haar und glitt schließlich unter die Decken. Dabei fiel ihr Blick auf das Logbuch, das sie von Captain Spencer in Empfang genommen und auf ihren Nachttisch ge legt hatte.
Behutsam und mit einem Gefühl tiefer, niemals endender Liebe strich Ambrosia über den ledernen Einband, bevor sie es schließlich aufschlug. Dabei fiel ein dicker Umschlag, der das königliche Siegel trug, heraus. Sie bückte sich danach, holte den Brief heraus und begann zu lesen:
Für einige Ihrer Mitmenschen mögen Sie lediglich der Kommandant eines gemeinen Kaperschiffes sein. Aber für mich sind Sie so viel mehr als das. Dank Ihres Mutes und Ihrer Unerschrockenheit, lieber Freund, kann England ein freies Land bleiben. Im Gegensatz zu den Adeligen, die von ihrem dankbaren König mit Ländereien und wunderschönen Anwesen belohnt werden, müssen Männer wie Sie ihre Arbeit in aller Heimlichkeit tun. Die einzige sichtbare Anerkennung Ihres Königs ist diese versiegelte Botschaft, mit der er Ihnen dankt für Ihre Treue und
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