Siren of the Seas 01 - Meer der Sehnsucht
alle an Bord geklettert waren, wurden diejenigen unter den Matrosen, die lange Jahre unter dem Kommando von Captain John Lambert gesegelt waren, gebeten, ein paar Worte zu sprechen.
Anschließend sangen die Seeleute mit ihren tiefen, rauen Stimmen einige der Lieblingslieder von John und James Lambert, während Ambrosia, Bethany und Darcy Blumen ins Wasser warfen und zusahen, wie die farbenfrohen Sträuße zunächst eine Weile auf den Wellen tanzten, bis sie von ihnen aufs offene Meer hinausgetragen wurden.
Schließlich gingen sie hinüber zu ihrem Großvater, der allein an der Reling stand und auf den Ozean hinausschaute, und umarmten ihn mit aller Kraft.
Riordan, der dies aus einiger Entfernung vom Bug aus betrachtete, fühlte sich zutiefst berührt. Die Trauerfeier in der Kirche hatte etwas Steifes an sich gehabt. Doch die hier drau-
ßen an Bord gesprochenen Worte kamen aus tiefster Seele. Die Seeleute weinten, ohne sich ihrer Tränen zu schämen. Winifred Mellon, Mistress Coffey und Newton standen Seite an Seite, wischten sich immer wieder mit Tüc hern über die tränenüberströmten Gesichter.
Riordan kam der Gedanke, wie sehr sich wohl Captain John Lambert und sein Sohn hatten glücklich schätzen können, eine derart liebevolle Familie zu haben und sich auf so treue Freunde und Bedienstete verlassen zu können.
Ein Mann konnte wahrscheinlich die ganze Welt bereisen, ohne jemals solche Schätze zu finden, die nicht mit allem Gold der Erde zu bezahlen waren. Und als das letzte Lied verklang, erkannte Riordan, dass es ihm unmöglich sein würde, diese Familie in einer Zeit großer Bedürftigkeit sich selbst zu überlassen.
Er fühlte sich unendlich einsam, denn für sein Herz gab es keinen Trost. Es war zerbrochen, und es ging ihm nicht, wie er Ambrosia Lambert versichert hatte, darum, nur ein Schiff zum Segeln zu haben. Vielmehr dürstete es ihn nach Rache.
Rache gegenüber dem Mann, der ihm sein Schiff genommen hatte. Der seine besten Freunde umgebracht hatte. Der drei zauberhaften jungen Frauen unsäglichen Schmerz bereitet und sie dazu getrieben hatte, einen für ihr eigenes Wohlbefinden viel zu gefährlichen Plan auszuhecken.
„Kommst du, Riordan?"
Er zuckte zusammen, als Ambrosia ihn sacht am Arm berührte. Er war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass er nichts mehr um sich herum wahrgenommen hatte.
Die letzten Matrosen waren gerade dabei, in das tief unten schaukelnde Boot zu klettern und an Land zurückzurudern. Viele Bedienstete waren bereits dort und befanden sich auf dem Weg zu dem großen Haus, das in einiger Entfernung zu erkennen war.
„Vielleicht könntest du Newton noch einmal herschicken, wenn alle anderen versorgt sind", bat er.
Ambrosia nickte zustimmend, ließ ihn dort am Bug stehen und ging auf die andere Seite an die Reling. Als sie sich nach einiger Zeit nach Riordan umdrehte, stand er noch immer reglos an derselben Stelle wie zuvor und sah blicklos aufs Meer hinaus.
Ob er wohl an das Vermögen dachte, das sein Vater ihm verweigert hatte? Wünschte er sich, lieber an jedem anderen Ort zu sein als ausgerechnet hier in Land's End?
Ambrosia stieß leise einen sehr undamenhaften Fluch aus, der sich gegen Edwina Cannon richtete. Sie wünschte, sie hätte nie etwas von Riordans Vergangenheit erfahren, und erst recht nicht durch Edwinas gehässiges Tratschen.
Hatte er ihr Angebot angenommen, weil er von den gleichen Beweggründen getrieben wurde wie sie? Oder war es vielmehr so, dass er darin seine einzige Möglichkeit sah, wieder ein Schiff befehligen zu können?
Es ist bedeutungslos, redete sich Ambrosia ein, aus welchen Gründen er sich auf den Handel eingelassen hat. Für sie zählte einzig und allein, den begonnenen Weg fortzusetzen und das selbst gesteckte Ziel zu erreichen. Auch wenn Riordans mögliche Unaufrichtigkeit ihr das Herz zu brechen drohte.
Sie begab sich unter Deck, denn das Bedürfnis, die Dinge anzusehen und zu berühren, die ihr Vater benutzt und geliebt hatte, wurde übermächtig in ihr. Als sie in seine Kajüte trat, glaubte sie beinahe, seine tiefe Stimme und sein mitreißendes Lachen zu hören.
Doch statt der Geräusche, nach denen sie sich so sehr sehnte, vernahm sie lediglich das Knarren der Balken in dem alten Schiff und das leise Platschen der Wellen am Bug. Wie ein Messerstich durchfuhr sie der Schmerz.
„Ich werde das Schiff finden, Papa, das verantwortlich ist für alles. Und die Männer, die darauf fahren. Und wenn ich sie gefunden
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