Siren of the Seas 01 - Meer der Sehnsucht
Fenster oder blickte starr vor sich hin.
Newton lenkte das Gefährt die Straße zum Dorf hinunter. Ambrosia atmete tief durch, als sie draußen die vertrauten Hügel sah, auf denen Schafe weideten. Sie liebte diese Landschaft mit ihren grünen Wiesen, die langen Sandstrände mit den schroffen Felsbrocken, und der Anblick des endlosen Meeres berührte sie immer wieder zutiefst.
Doch heute hatte sie keinen Blick übrig für die zauberhafte Umgebung. Das Herz war ihr zu schwer. Heute würden sie und ihre Schwestern sich vor den Augen sämtlicher Dorfbewohner von Land's End der traurigen Wirklichkeit ihres kaum zu ertragenden Verlustes stellen müssen.
Nun rollte die Kutsche hinauf zur Dorfkirche. Viele Gespanne standen dort bereits. In dem geöffneten Portal warteten der Vikar und der Diakon auf die Familie Lambert und deren nächste Freunde.
Riordan stieg als Erster aus und bot den jungen Frauen nacheinander hilfreich die Hand.
Als er Ambrosias Hand berührte, zuckte er unmerklich zusammen. Seit ihrer Begegnung im Arbeitszimmer hatte er sie nicht mehr gesehen. Sie hatten sich beide erfolgreich bemüht, einander aus dem Wege zu gehen.
Nun folgte er den Lamberts das Mittelschiff entlang bis kurz vor den Altar, wo die Bänke den Angehörigen vorbehalten waren. Dabei hörte er einige der geflüsterten Bemerkungen der Dorfbewohner.
„So eine traurige Verschwendung", wisperte eine junge Frau. „James hätte jedes Mädchen hier in Land's End haben können, aber er hatte sein Herz der See geschenkt."
„Sein Vater war nicht viel besser", sagte nun die neben ihr Sitzende. „Ohne Frau all diese Jahre. Aber er wollte nie wieder heiraten, und das nur wegen der Mädchen. Welche Frau hätte schon sein Herz gewinnen können mit den dreien in der Nähe?"
„Sie haben immer geglaubt, besser zu sein als alle anderen." Edwina Cannon trug einen für den Anlass viel zu koketten Hut und beobachtete, wie die Lambert-Mädchen an ihr vorbeigin-gen. Dabei schürzte sie geringschätzig die Lippen.
„Als wir noch klein waren, wollten sie nie mit uns anderen spielen. Sie waren stets viel zu beschäftigt damit, mit ihrem Vater auf dem Schiff zu fahren oder sich von ihrem Bruder im Schwertkampf unterrichten zu lassen." Ihr Gesichtsausdruck war feindselig und überheblich.
Riordan runzelte unwillig die Stirn. Er hoffte, dass Ambrosia, Bethany und Darcy diese abfälligen Bemerkungen nicht gehört hatten. Verstohlen blickte er sich um und sah, dass die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt war. Sogar Seeleute waren gekommen, die nun im hinteren Teil der Kirche standen. Sie hatten ihre Mützen abgenommen und hielten die Köpfe respektvoll gesenkt.
Ambrosia hatte dafür gesorgt, dass nicht nur für die engsten Verwandten der Verstorbenen Plätze freigehalten worden waren, sondern auch für die Bediensteten von MaryCastle sowie für die überlebenden Besatzungsmitglieder der Undaunted. Diese waren von der ihnen erwiesenen Ehre zutiefst gerührt und nahmen zwischen Küchenpersonal und Dienstmädchen Platz.
Als die Glocken zu läuten begannen, begaben sich der Pfarrer und sein junger Gehilfe zum Altar und zelebrierten den Trauergottesdienst mit den von alters her bekannten Gebeten, Fürbitten und Liedern.
Ambrosia und ihre Schwestern sahen sich außerstande, in das Singen einzustimmen. Sie mussten an die wenigen Gelegenheiten denken, als ihr Vater und Bruder zufällig zu Gottes-diensten jedweder Art in Land's End gewesen waren. Meistens befanden sie sich auf See.
Dann hielt der Vikar eine besonders zu Herzen gehende Anspräche, in der er der Verstorbenen in eindringlichen Worten gedachte. Riordan sah, wie Ambrosia sich immer mehr versteifte.
Riordan wusste, sie bewahrte ihre Haltung nur deswegen, weil alle Dorfbewohner sie beobachteten und nur darauf warteten, dass sie die Beherrschung verlor und ihrem Schmerz freien Lauf ließ. Doch Ambrosia würde alles tun, um keinerlei Mitleid zu erregen. Erst zu Hause würde sie ihrer Trauer nachge ben.
Endlich war der Gottesdienst zu Ende. Ambrosia und ihre Schwestern sowie ihr Großvater nahmen im Kirchhof die Beileidsbezeugungen der Dorfbewohner entgegen. Riordan hielt sich etwas zurück und beobachtete das Geschehen aus einiger Entfernung.
„Oh, ihr armen, armen Kinder", rief eine alte weißhaarige Frau aus, die sich schwer auf den Arm ihrer Tochter stützte. Sie war die Dorfälteste, und jedermann wich respektvoll zur Seite. „Was werdet ihr jetzt nur tun? Welch ein Unglück, dass euer
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