Siren of the Seas 01 - Meer der Sehnsucht
sagte sie: „Spar dir die Geschichte für unser nächstes Treffen auf, Edwina. Du verstehst sicher, dass Großvaters Wohlergehen an erster Stelle steht."
„Nun ja ..." Edwina bot den drei Schwestern die Wange zu dem üblichen, nur hingehauchten Abschiedskuss. Gemeinsam mit Lord Fenwick schaute sie den Gästen von MaryCastle nach.
Er spürte, wie sie ihn prüfend ansah, und wandte sich ihr mit einem aufgesetzten Lächeln zu. „Eine ... nun ja, eine schillernde Familie, finde ich."
„Jeder hier in Land's End findet die Mädchen ziemlich seltsam. Die Seeleute behaupten, sie könnten ein Schiff so gut segeln wie jeder Mann. Und es ist auch allgemein bekannt, dass sie außerdem mit Waffen umzugehen wissen."
„Waffen? Sie scherzen!"
„Nein, nein." Edwina kam sich ungeheuer wichtig vor, weil sie Lord Fenwick mit ihrem Wissen beeindrucken konnte. „Ambrosia kann ein Schwert so gut wie jeder Mann schwingen.
Bethany wurde dabei beobachtet, wie sie mit der Pistole ihres Vaters eine Münze von einem Ast herunterschoss, und Darcy kann mit ihrem Messer einen Vogel im Flug treffen."
Inzwischen hatten die Lamberts ihre Kutsche erreicht, und kurz darauf setzten sich die Pferde in Bewegung. Edwina seufzte. „Jeder in Land's End ist davon überzeugt, dass die drei Schwestern als alte Jungfern enden werden. Welcher Mann gibt schließlich einer Frau den Vorzug, die über männliche Tugenden verfügt, aber völlig unfähig ist, wenn es um die Kunst des Nähens und Kochens geht?"
„Habt ihr schon gehört, was man sich über das Kleid erzählt, das sich Edwina Cannon für den großen Dorfball schneidern lässt?" Mistress Coffey verhielt sich wie eine Glucke, die über ihren Nachwuchs wacht. Ihre Schützlinge Ambrosia, Bethany und Darcy saßen wie kleine Häufchen Unglück an dem langen Esstisch und stocherten lustlos in ihrem Essen herum.
„Das Tuch ist so fein wie gesponnenes Gold", schwärmte die Haushälterin. „Das Kleid ist fast so schön wie das, welches die Geliebte des Königs voriges Jahr zum Maskenball trug."
Mistress Coffeys Stimme klang hoch und laut, wie immer, wenn sie sich für eine Sache erwärmte. „Stellt euch nur mal vor, was Edwina für ein Leben führen wird, wenn Lord Fenwick, wie ihre Mutter andeutete, tatsächlich um ihre Hand anhalten sollte."
Da keine der Lambert-Schwestern dazu etwas sagte, fügte sie noch hinzu: „Und dabei zählt Edwina erst sechzehn Lenze." Sie warf Ambrosia bei diesen Worten einen bedeutungsvollen Blick zu, doch diese war und blieb vollkommen unbeeindruckt von Mistress Coffeys Andeutungen, wusste sie doch, dass sich die alte Haushälterin Sorgen machte, sie, Ambrosia, könne wo möglich als alte Jungfer enden.
Bevor irgendjemand Gelegenheit zu einem Gesprächsbeitrag bekam, ertönte ein lautes Klopfen an der Eingangstür.
„Nanu! Wem fä llt es ein, während der Dinnerzeit zu Besuch zu kommen?" Mistress Coffey setzte die große Teekanne ab, aus der sie soeben reihum allen Familienmitgliedern eingegossen hatte, und eilte hinaus.
Als sie nach kurzer Zeit wieder zurückkam, war sie im höchsten Maße erregt. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen. „Draußen steht ein Fremder. Er bittet darum, euch drei Mädchen sprechen zu dürfen."
„Hat er seinen Namen genannt?" Ambrosia setzte ihre Teetasse ab.
„Ja, ein gewisser Captain Spencer. Er hat Neuigkeiten von eurem Vater und Bruder ... und
...", Mistress Coffeys Lippen zitterten, „... und sowohl der Vikar als auch der junge Ministrant sind bei ihm."
In angespanntem Schweigen begaben sich die Lamberts in den Salon. Geoffrey Lambert hatte seinen breiten Schal eng um die Schultern geschlungen und geleitete Miss Mellon in den Raum. Der alte Newton stellte sich wie ein Wächter neben die Tür, während Mistress Coffey wenige Schritte in den Salon trat und dort stehen blieb.
Ein Fremder stand vor dem offenen Kamin und streckte die Hände dem wärmenden Feuer entgegen. Als die drei Schwestern eintraten, drehte er sich um, und der Vikar sagte: „Meine Damen, das hier ist Captain Riordan Spencer."
Der Mann war groß und schlank. Das dunkle Haar fiel ihm in die Stirn, und sein von Wind und Sonne gebräuntes Gesicht hätte durchaus als attraktiv gelten können, wären da nicht die tiefen Schatten unter den Augen und die Züge wie im Schmerz erstarrt gewesen.
Ein endlos scheinendes Schweigen folgte auf diese kurze Vorstellung. Dann trat Ambrosia entschlossen einen Schritt vor und reichte dem Mann die Hand. „Captain
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