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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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Herzen Melia das Versprechen gegeben, James zu beschützen. In dem Moment, als ich ihren Brief gelesen hatte.
    Und so nahm ich ihn mit mir.
    Aus meinen Erfahrungen mit dem Jungen wusste ich, dass ich einen Menschen nicht einfach unter Wasser mit mir ziehen konnte. Als Land in Sicht kam, baute ich ihm deshalb ein Boot, in dem ich ihn hinter mir her zum nächstgelegenen Hafen, also nach Charleston, zog. Von dort aus plante er, seine Auftraggeber zu kontaktieren, um ihnen mitzuteilen, dass ihr Schiff auf Grund gelaufen und die Ladung verloren war. Bevor ich ging, nahm ich ihm das Versprechen ab, sich um meinen Jungen zu kümmern. Obgleich ich seiner Zusage traute, kam ich ein ums andere Mal, um mich persönlich von dessen Ausführung zu überzeugen. Und in der Tat hielt James sein Versprechen und zog den Jungen wie sein eigenes Kind groß. Das Leben auf dem Meer gab er auf und wurde stattdessen Soldat. Geheiratet hat er nie. Ich glaube, er gehörte zu der Sorte Mann, die nur einmal im Leben ihr Jawort geben. Und Melia hatte er in seinem Herzen die Treue geschworen, wenn auch nicht vor einem Gericht oder einem Priester.
    Was das angeht, war er wie unseresgleichen. Es war ihm unmöglich, ein gegebenes Versprechen zu brechen.«

Kapitel 12
    Denn hier steuerte noch keiner im
    Schwarzen Schiffe vorüber,
    Eh ’ er dem süßen Gesang aus
    Unserem Munde gelauschet;
    Und dann ging er von hinnen,
    Vergnügt und weiser wie vormals.
    Uns ist alles bekannt, was ihr
    Argeier und Troer
    Durch der Götter Verhängnis
    In Troias Fluren geduldet:
    Alles, was irgend geschieht auf
    Der lebenschenkenden Erde!
    Das Lied der Sirenen, aus Odyssee,
    Zwölfter Gesang.
     
    Draußen vor der kleinen Stadtbibliothek knirschte der Schotter unter den Reifen der Autos. Eine Frau mit hängenden Wangen näherte sich zögernd ihrem Tisch.
    »Entschuldigen Sie bitte vielmals, aber ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass wir in einer halben Stunde schließen«, flüsterte sie zaghaft und der Klang ihrer Stimme erinnerte an ein sanftes Flötenspiel. Sie rückte ihre Brille zurecht und lächelte verlegen zu Asia hinüber.
    Nicht zum ersten Mal fiel Will diese Sache bei Asia auf – dass Männer ihre Aufmerksamkeit erhaschen wollten, war klar, doch bei Frauen war es genauso. Als erhofften sie sich Asias Wohlwollen.
    Asia erhob sich anmutig von ihrem Leseplatz. »Lass uns aufbrechen«, sagte sie und schaute Will an.
    Will war nicht in der Verfassung, eine Diskussion zu starten, weshalb er ihr kommentarlos hinausfolgte.
    Die Sonne war bereits untergegangen und das gelbe Licht der großen, gusseisernen Straßenlaternen schien auf sie herab, als sie nun auf den Gehweg traten. Sie gingen los und ließen die Stadt hinter sich. Will war erleichtert. Er fühlte sich vollkommen ausgelaugt, wie eine ausgepresste Zitrone. Eine leere Hülle.
    Eine ganze Weile liefen sie schweigend nebeneinanderher und außer ihren Schritten auf dem Asphalt und den vorbeifahrenden Autos war nichts zu hören. Schließlich brach Will das Schweigen.
    »Wie kommt es dann, dass du hier bist?«
    »Eines Tages hat Calypso nach mir gerufen. Und ich erwiderte ihren Ruf.«
    »Und dann hast du deine Flöte verkauft.«
    »Ich sehe keinerlei Notwendigkeit, mit meinen Schwestern weiterhin in Kontakt zu treten.«
    »Was war ihre Forderung an dich?«
    Einen Augenblick lang hing die Frage in der Luft.
    »Sie wollte, dass ich ihr jemanden ausliefere«, sagte Asia.
    »Jemanden ausliefern?« Will überlief es eiskalt. »Du meinst, du solltest diesen Jemand töten?«
    Asia legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm. »Ich würde niemals jemanden töten, Will.«
    Will schüttelte ihre Hand ab. »Verarsch mich nicht, okay? Das ist doch nichts als Wortklauberei. Wenn du diesen Wahnsinnigen jemanden ans Messer lieferst … Also, wen haben sie von dir bekommen – Jason?«
    »Sie haben niemanden von mir bekommen«, erwiderte Asia.
    »Noch nicht«, zischte Will.
    Asia atmete mit einem tiefen Seufzer aus. »Ja.«
    »Also – wer ist der Todgeweihte? Welchem Unschuldigen wirst du auf der Straße auflauern?« Er wies mit einer Kopfbewegung auf die vielen Geschäfte um sie herum.
    Asia schüttelte den Kopf. »Calypso hat eine Feindin. Sie war viele Jahre hinter ihr her. Diese Feindin war eine Zeit lang verschwunden. Doch vor einem Jahr tauchte sie unerwartet wieder auf.«
    »Ist sie auch eine Sirene?«, fragte Will.
    »Nein. Allerdings auch kein Mensch. Sie ist Die Flammende. «
    Will versuchte, diese

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