Sirenenlied
wurde Josh bewusst, dass er die ganze Zeit über Eileens Hand hielt. Im Vergleich zu den Freuden, die der Körper der Sirene versprach, fühlte sich Eileens Hand mit ihren leicht zu kurz geratenen Fingern und dem Schweißfilm alles andere als verführerisch an. Ihn durchfuhr der
Impuls, sie loszulassen, doch dann verschränkte Eileen ihre Finger noch fester mit seinen, und er erinnerte sich daran, warum sie das tat: um ihm Halt zu geben. Um ihn zu retten... vor der Sirene und mehr noch vor seiner überdrehten Lust.
»Freut mich, dass dir das Cottage gefällt. Ohne das ganze Wasser sieht es übrigens noch besser aus. Wenn du also gehst, nimm es ruhig wieder mit, ja? Wir Menschen können es hier nämlich nicht gebrauchen.«
Das Lächeln der Sirene verblasste eine Spur. »Das werde ich, das verspreche ich dir. Und ich werde nicht nur das Wasser mitnehmen, sondern auch dich.«
Seine ganze Kraft zusammennehmend, setzte Josh zurück, bis er die Hauswand im Rücken spürte. Er drängte sich gegen sie, um jeden Millimeter Abstand zu der Sirene herauszuholen. In den Augen der Sirene flammte ein Blitz auf, und im nächsten Augenblick liefen knisternde Flammen über das Wasser.
»Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit wir einander das letzte Mal in den Armen gelegen sind«, sagte sie mit einem verlangenden Unterton, der Josh fast seine Beherrschung verlieren ließ. »Andererseits kann es unmöglich länger als einen Wellenschlag her sein, denn ich kann immer noch die Glutspur deiner begierigen Finger auf mir spüren. Es ist mir ein Rätsel, wie es mir überhaupt gelungen ist, meine Lippen von deinen zu lösen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ein Kuss alles andere gleichgültig erscheinen lassen kann, während die Leidenschaft, die er auslöst, einen fast zerreißt.«
Bei jedem einzelnen ihrer Worte führte Joshs Körper ihm anschaulich vor, was die Sirene mit lockendem Timbre beschrieb, während ihre Finger verspielt ihre Rundungen
nachzeichneten. Sie musste ihn wohl nicht einmal berühren, um ihn um den Verstand zu bringen. Keine gute Voraussetzung, wenn er ihr nicht nachgeben wollte. Nur noch ein paar Schritte trennten sie von einander. Sobald sie diese überbrückt hatte, würde sie tun können, wovon sie bislang nur erzählte, ohne Widerstand zu erfahren.
Die Sirene hielt inne und legte ihren schlanken Zeigefinger über die Lippen. »Ich tue dir Unrecht, wenn ich so rede. Ein Blick genügt schließlich, um zu beweisen, dass ich nie besser entschieden habe als damals, so unwiderstehlich dein Kuss auch gewesen ist. Schau dich an, jetzt bist du ein Mann. Und alles, was du bist, gehört mir.«
Sie öffnete die Arme, doch bevor Josh dieser Einladung nachkommen konnte, schob Eileen sich entschlossen dazwischen.
»Mag ja sein, dass das damals ein supertoller Kuss gewesen ist, aber Dinge ändern sich. Vielleicht nicht, wenn man sein Leben damit verbringt, lustig im Wasser herumzuplantschen, aber für einen Menschen schon. Und genau das ist Josh, ein Mensch. Was hältst du also davon, in dein Reich zurückzukehren und Ausschau nach einem lebenslustigen Wassermann zu halten? Keine Sorge wegen der Pfütze, die wischen wir schon weg.«
Die Sirene hielt es nicht einmal für nötig, sich von Eileen das Lächeln verderben zu lassen. »Es ist, wie ich sagte: Dieser Mann gehört mir. Er hat sich mir verschrieben. Das hast du doch bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen, als du ihm dein Zeichen aufdrücken wolltest.«
Josh hob beschwichtigend die Hände, was gar nicht so einfach war, da Eileen sich rücklings gegen ihn presste und ihre Schultern seinen Rippenbogen einzudrücken drohten. »Das mit ›dieser Mann gehört mir‹ ist so eine Sache...
man sollte doch meinen, dass ein Galbraith-Mann fürs Sirenenvolk ausreichen sollte.«
Der Sirene war die Mühe anzusehen, Eileen nicht umgehend für ihre unverschämte Art abzustrafen, aber kaum hatte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Josh gerichtet, schien nichts anderes mehr für sie zu existieren. Verstehen breitete sich auf ihren Zügen aus.
»Du zürnst mir, weil eine meine Schwestern deinen Vater zu sich genommen hat. Aber dazu besteht wirklich kein Grund. Schau«, forderte sie ihn auf. Wie auf Befehl beruhigte sich die Wasseroberfläche, bis sie einem Spiegel glich.
Als Josh auf die Wassernaht zutreten wollte, packte Eileen ihn am Arm. »Nicht«, flüsterte sie. »Das ist doch nur ein weiteres Trugbild, mit dem sie dich einspinnen will. Lass dich nicht
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