Sirup: Roman (German Edition)
sagen sich: »Also gut, ich bin attraktiv, die Leute mögen mich, das reicht«, und damit ist ihre Persönlichkeitsentwicklung auch schon zu Ende. Ich meine, natürlich können sie den Mädchen nicht das Wasser reichen, die sich mit Pickeln und Liebeskummer herumschlagen, den Mädchen, die immer nur kämpfen müssen und sich mit zwanzig plötzlich von ihrer lustigsten, klügsten, zynischsten und begehrenswertesten Seite zeigen.
Ja, das gefällt mir.
Was die folgenden Ereignisse in einem etwas merkwürdigen Licht erscheinen läßt.
scat begegnet 6
Die Managerin für Produktentwicklung betritt den Raum, und ich bin auf der Stelle total weg. Ja, ich bin schlicht sprachlos. Ich möchte mir diese Frau schnappen, sie auf den Schreibtisch schmeißen und nach allen Regeln der Kunst über sie herfallen. Sekundenlang kann ich sie nur anstarren.
Sie hat ungefähr mein Alter, doch ihr Gang weist sie als ein mit allen Wassern gewaschenes kleines Biest aus. Ihr glattes Haar ist schulterlang, pechschwarz und so dicht, daß eine Kugel daran abprallen würde. Ihre betörenden Beine schießen aufs herrlichste aus ihren Stöckelschuhen hervor und streben dann in atemberaubendem Schwung einem entzückenden Minirock entgegen. Mit ihren Augenbrauen ließe sich Panzerstahl durchschneiden. Ihr Gesichtsausdruck ist von exquisiter Grausamkeit, und ich weiß sofort, daß sie noch nie im Leben gelächelt hat.
»Guten Tag, Mr. Scat«, sagt sie kühl und nimmt mir gegenüber Platz. Sie hat eine dünne Mappe bei sich, die sie auf den Tisch legt. Die Mappe ist mir völlig schnuppe. »Mein Name ist 6.«
Hier wäre eigentlich eine Reaktion angesagt. Doch das fällt mir erst viele, viele Sekunden später ein.
»Mr. Scat«, sagt sie streng, »nur zu Ihrer Information: Ich bevorzuge Frauen. Könnten Sie also vielleicht zur Abwechslung mal woanders hinschauen.«
»’tschuldigung.« Um mir die Blamage zu ersparen, sie um die Wiederholung ihres Namens zu bitten, den sie offenbar mit ihrer Kleidergröße verwechselt hat, schiebe ich ihr eine Visitenkarte über den Tisch. Sie erwidert diese Höflichkeitsbezeugung, und ich studiere ihre Karte. Dort steht schwarz auf weiß zu lesen, daß sie tatsächlich 6 heißt. Ich bin beeindruckt. Ich wette, ihr richtiger Nachname beginnt mit einem Z , und sie hat es nur satt, sich in der Schlange immer hinten anzustellen.
»Mr. Scat«, sagt sie. Ich bin bereits in ihre Lippen verliebt. »Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele von uns nicht erbetene Angebote unser Unternehmen im Jahr von Leuten wie Ihnen erhält?«
Ich erwäge eine kühne Schätzung, überlege es mir dann aber anders. »Nein.«
»Eigentlich nicht sehr viele«, sagt sie. »Doch entscheidend ist: Dieses Zeug ist immer Schrott. Ausnahmslos. Wir haben noch nie eines dieser Konzepte gekauft.« Sie beugt sich ein wenig vor. »Ich sag Ihnen das gleich, damit Sie über unsere Ablehnung nicht allzu enttäuscht sind.«
(Wer einer Marketingabteilung was verkaufen will, hat vor allem ein Problem: Neid. Schließlich ist eine solche Abteilung dazu da, eigene Ideen zu kreieren.)
»Danke, daß Sie mich in meinen Hoffnungen nicht auch noch bestärken«, sage ich.
»Keine Ursache.« Sie schaut auf die Uhr. Ein teures Stück. »Sie haben dreißig Sekunden.«
Dieser Satz bringt mich endgültig aus der Fassung. »Dreißig Sekunden? Ich hab da eine Idee, die Ihrem Unternehmen Millionen einbringen wird, und Sie wollen, daß ich Ihnen das alles in dreißig Sekunden erkläre?«
6 klimpert mit den Augen. Sie scheint aufrichtig überrascht. »Mr. Scat, wir haben dreißig Sekunden Zeit, um unseren Kunden unsere Ideen zu verkaufen. Man nennt das Werbung.« Ja, sie ist offenbar sogar ein wenig verletzt, und ihr schmollender Mund versetzt mich innerlich in äußerste Raserei.
»Recht haben Sie«, sage ich demutsvoll. »Ich bitte um Verzeihung.« Ich kneife die Augen listig zusammen. »Vielleicht bei einem Abendessen?«
6 stößt einen tiefen Seufzer aus. »In meinem Büro an der Wand, Mr. Scat, hängt ein großes Aktfoto von Elle Macpherson. Dieses Bild soll Leute wie Sie daran erinnern, daß ich Liebespartner ohne Penis bevorzuge.«
»Gut«, sage ich, als ob mich das nicht weiter irritiert. In Wahrheit bin ich natürlich total irritiert. Ja, ich bin so irritiert, daß ich ganz vergessen habe, weshalb ich überhaupt hier bin.
»Sie haben noch sieben Sekunden«, sagt 6.
»Das ist nicht fair«, protestiere ich.
»Vier«, sagt sie und schaut tatsächlich auf
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