Sirup: Roman (German Edition)
mehr ein. Du hast gewonnen. Ich bin ein moralisches Schwein, und du kannst mich zum Trocknen auf die Wäscheleine hängen, wenn dir das weiterhilft.«
Es entsteht eine Pause, dann stößt Cindy einen Seufzer aus. »Die Sache ist doch die. Wenn ich dir jetzt helfe, dann wär doch wieder alles beim alten. Du hast dich doch kein bißchen verändert. Wenn ich jetzt wieder für dich da bin, dann haust du doch bei erster Gelegenheit ohnehin wieder ab – oder vielleicht nicht?«
Ich erstarre.
»Darüber hast du nicht mal nachgedacht, stimmt’s?« sagt sie traurig. »Für dich ist nur wichtig, wie du aus deinen Schwierigkeiten wieder rauskommst.«
Ich lasse mir die Frage eine Weile durch den Kopf gehen, während Cindy auf meine Antwort wartet. Schließlich gestehe ich: »Nein.«
»Dann hast du mich also angerufen«, sagt Cindy, und ich fürchte schon, daß sie gleich auflegt, »um mir mitzuteilen, wie leid es dir tut, daß du dich für mich nur interessierst, wenn es dir beruflich nützt – und daß du es im übrigen in Zukunft genauso zu halten gedenkst?«
Mir bleibt fast die Luft weg. »Ja«, sage ich schließlich zerknirscht, »du hast völlig recht.« Ich begreife inzwischen selbst nicht mehr, wie ich unter diesen Umständen die Frechheit besitzen konnte, sie überhaupt anzurufen. »Cindy, tut mir wirklich leid. Ich…«
»Na gut«, sagt Cindy befriedigt. »Solange du das einsiehst, helfe ich dir.«
Ich fange fast an zu weinen.
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Ich brauche ein paar Minuten, um die Fassung zurückzugewinnen, dann gehe ich mit dem gleichgültigsten Gesicht der Welt wieder hinein. Tina und 6 drehen sich gleichzeitig zu mir um.
»Nun?« fragt 6.
»Sie macht es«, sage ich nonchalant und riskiere dann einen Blick auf 6.
Ihre Augenbrauen schießen parallel nach oben, und sogar ihre Lippen öffnen sich vor lauter Überraschung. Kein Zweifel: 6 ist aufrichtig beeindruckt.
» Sehr gut«, murmelt sie.
kunst gegen kommerz
Obwohl sie direkt am Wilshire Boulevard in Santa Monica wohnt, schafft es Cindy, sich auf dem Weg zur Universität total zu verfransen. Erst nach drei weiteren verzweifelten Anrufen meinerseits kreuzt sie schließlich auf. Inzwischen ist es fast eins, also exakt eine Stunde nach dem von uns geplanten Ende der Dreharbeiten und zwei Stunden vor der Vorstandssitzung. Wir begrüßen uns ebenso eilig wie reserviert, und dann nimmt Tina sie beiseite, um mit ihr die Szene durchzusprechen. Ich begebe mich derweil zu 6, die zwischen ein paar Halogenscheinwerfern auf und ab tigert.
»Die Sache können wir vergessen«, sagt sie. »Ist einfach zu spät.«
»Wird schon irgendwie«, sage ich. »Noch sind wir nicht aus dem Rennen.«
»Warum fangen die denn nicht endlich an ?« fragt sie und starrt zu Tina und dem jungen Talent hinüber.
»Künstler«, gab ich zu bedenken.
»Studenten«, murmelt 6.
Tina redet noch eine weitere halbe Stunde auf die Darsteller ein und läßt sie dann im Freien ein paar Atemübungen machen, während sie den Beleuchtern Anweisungen erteilt. Als es fast zwei ist, halten 6 und ich es nicht mehr aus und greifen sie uns.
»Hallo Leute«, sagt Tina. »Wißt ihr, Cindy ist echt gut. Die bringt’s voll.« Zwischendurch blafft sie einen dünnen Jungen mit einer Lakers-Kappe an: »Hey, weiter zurück! Weiter zurück!«
»Super«, sage ich geistesabwesend. »Tina, wir können nicht länger warten. Wann fangen wir denn endlich an?«
Tina baut sich mit den Händen in den Hüften vor mir auf. »Willst du, daß wir gute Arbeit leisten oder nicht?«
6 sagt: »Wir möchten nur, daß es endlich losgeht , Tina. Wenn wir bis drei nicht fertig sind, ist die ganze Sache für die Katz.«
»Soll ich vielleicht rumschlampen, bloß um einen blöden Termin zu halten?« sagt Tina mit größter Selbstverständlichkeit.
6 erstarrt. »Tina, offenbar kapierst du nicht richtig, worum es hier geht.«
»O doch, ich verstehe ganz genau, worum es euch geht«, sagt Tina. »Allerdings hab ich das Gefühl, daß ihr nicht ganz begreift, worum es mir geht.«
»Und das wäre?« frage ich.
»Eine gute Szene.«
Ich schnappe nach Luft. »Tina, wir…«
»Also gut«, sagt 6.
»Nichts ist gut«, sage ich.
»Ich muß mit dir sprechen«, sagt 6 und zieht mich ein paar Schritte zur Seite.
»6«, jammere ich, »wir müssen hier bis drei Uhr fertig sein. Das heißt: wirklich fertig : also mit dem Drehen, dem Schneiden und was sonst noch dazugehört.« 6 starrt mich an, bis ich rot anlaufe.
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