Sirup: Roman (German Edition)
Antwort verpassen. Doch dann rastet sie sicher völlig aus. Denkbar ist aber auch, daß dabei so viel Leidenschaft freigesetzt wird, daß ich mir 6 einfach schnappe und ihr einen innigen Kuß abtrotze. Aber dann fällt mir plötzlich ein, daß 6s Vorschlag nicht mal so schlecht ist. »Hmm«, sage ich. »Okay.«
liebe in der dunkelheit
6 und ich haben beide nicht vorausgesehen, daß wir die Nacht bei Tina verbringen, deshalb hat keiner von uns einen Pyjama dabei. Mir ist das ziemlich schnuppe, aber 6 legt nun mal Wert auf Etikette. Ja, sie nimmt sich sogar die Freiheit, sich von unserer Gastgeberin heimlich einen Schlafanzug auszuleihen. Als sie wieder ins Wohnzimmer getappt kommt, trägt sie einen leuchtendblauen Seidenpyjama, der vielleicht für die winzige Tina weit geschnitten sein mag, an 6 jedoch diverse körperliche Vorzüge höchst beunruhigend zur Geltung bringt.
»Was ist los?« sagt 6, als ich sie völlig verdattert anstarre. Sie stemmt die Hände in die Hüften, was die Situation nur verschlimmert, und ich muß erkennen, daß ein nur aus Boxershorts bestehendes Nachtgewand ganz eigene Gefahren mit sich bringt.
»Nichts«, sage ich hastig.
6 steigt über mich hinweg auf das Sofa und schlüpft unter die Decke. Dann erleben wir einen kurzen Augenblick glücklicher Intimität, als wir beide gleichzeitig an dem wärmenden Textil herumzerren und uns schließlich darauf einigen, daß die Rücken-zu-Rücken-Position unsere seelische Nähe wohl am besten widerspiegelt.
Ich liege da und lausche auf 6s Atem, bis sich mir der Eindruck aufdrängt, daß auch 6 sich mit ganzem Ohr an meiner Atemtechnik erfreut. Ich versuche ganz ruhig zu atmen, was mich jedoch binnen kurzem an den Rand des Erstickungstodes bringt, den ich nur laut japsend abzuwenden vermag.
»Was machst du da?« sagt 6 bissig.
»Gar nichts.«
Wieder Schweigen. Ich zähle bis hundert und konzentriere mich darauf, gleichmäßig zu atmen. Ich bin gerade bei achtundsechzig, als 6 sich umdreht und etwas auf meine Brust fällt.
Ich schaue zu ihr hinauf, kann aber außer ihrer Haarpracht nichts Besonderes erkennen. Dann hebe ich vorsichtig die Decke an und sehe darunter, daß – Wunder aller Wunder – 6s Hand auf meiner Brust ruht. Aus dem Ärmel von Tinas blauem Seidenpyjama blickt eine makellose Hand hervor und liegt mitsamt schwarzen Fingernägeln und allem Drum und Dran tatsächlich auf meiner bescheidenen Brust.
Ich warte ungefähr eine Minute und hoffe inständig, daß 6s Hand nur als Vorbotin künftiger Glückseligkeit auf meiner Wenigkeit zu ruhen beliebt, dann lege ich meinen linken Arm behutsam auf ihr herrliches Greiforgan.
Keine Reaktion. Einfach unglaublich – ja, echt unglaublich.
Eine weitere halbe Stunde verstreicht, bevor ich mich erkühne, mich wenigstens auf Fingerebene mit 6 zu vereinen. Als das gelungen ist, fühle ich mich schlicht wie im Himmel. Ich kann es einfach nicht fassen, wie idiotisch gut es sich anfühlt, bloß ihre Hand zu halten.
So liege ich fast zwei Stunden in der Dunkelheit, und als ich schließlich einschlafe, hab ich das verschärfte Gefühl, daß ich mich wieder voll in sie verknallt habe.
die psychologie des geschäftslebens
Als ich aufwache, sitzt Kevin über mir auf dem Sofa und schaut sich ein Hockeyspiel an. 6 ist nicht mehr da.
»Wa«, sage ich – eine Silbe, die ich eigentlich nur am frühen Morgen benutze. »Wo sind die andern?« Kevin würdigt mich keines Blickes. »Kevin?«
»Ich heiße Steve.«
»Oh. Tut mir leid.« Ich bin ziemlich sicher, daß Tina ihn als Kevin bezeichnet hat. Vielleicht ist er ja deshalb so stinkig auf sie.
Ich schäle mich aus der Decke und begebe mich in die Küche.
»Morgen«, sagt Tina geistesabwesend, da sie am Küchentisch gerade das Drehbuch noch mal durcharbeitet.
»Weißt du, Tina«, sag ich. »Noch mal ganz herzlichen Dank für deine Mühe. Für 6 und mich ist diese Geschichte irrsinnig wichtig.«
»Schon in Ordnung«, sagt Tina und strahlt mich an. »In Wirklichkeit bin ich ja auch gar nicht sauer auf 6.«
»Um so besser.«
»Sie ist nur so ’ne verdammte Zicke«, sagt Tina, was nach meinem Empfinden zwar nicht ganz zu ihrer früheren Auskunft paßt, dafür aber um so einleuchtender klingt. »Ständig muß sie herumkommandieren.«
Ich setz mich neben sie. »Na ja«, sag ich. »In der Wirtschaft nennt man so was Führungsstärke.«
Tina starrt mich an. »Und findest du vielleicht, daß das ein positiver Zug an ihr ist? Und andere Meinungen läßt
Weitere Kostenlose Bücher