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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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sie ohnehin nicht gelten. Für mich ist das reine Borniertheit, oder gilt das vielleicht auch als Führungsstärke?«
    »Vision«, sage ich. »Diese Haltung nennt man visionäres Denken.«
    Tina starrt mich an. »Und diesen ganzen paranoiden Schwachsinn – wie nennt man das?«
    »Professionalität.«
    »Und ihr zwanghaftes Bedürfnis, daß alle nach ihrer Pfeife tanzen?«
    »Organisationstalent.«
    »Aggressivität?«
    »Aggressivität«, sage ich, »ist ohnehin positiv besetzt.«
    »O mein Gott«, sagt Tina, und ihr Augenbrauenring glitzert in der Morgensonne. »Manchmal mach ich mir echt Sorgen um dieses Land.«
    dreharbeiten

    Daß wir vor einem größeren Problem stehen, kapier ich erst am Set.
    Bis dahin läuft alles wie geschmiert. Wir brechen rechtzeitig auf, und Tina hat sogar einen klapprigen alten Chrysler. Zwar gerät das linke Vorderrad in jeder Kurve mächtig ins Schlingern, doch die Kiste ist trotzdem deutlich schneller als sämtliche Busse der Stadt LA.
    Auf der 10 und der 405 ist nicht viel los, und so sind wir schon eine volle halbe Stunde vor Drehbeginn auf dem Universitätsgelände. Tina hat die Schlüssel zu einem großen neugotischen Gebäude auf der Ostseite des Campus und führt uns durch allerlei Gänge in ihr Studio. Während sie diverse Gerätschaften inspiziert, die ich vorher noch nie gesehen habe, schauen 6 und ich uns am Set um.
    »Die Dinger sollten wir vielleicht wegräumen«, sag ich und zeige auf eine bizarre Sammlung winziger Pappbetten. »Und den Schreibtisch stellen wir da drüben hin. Die Requisiten werden schon ausreichen, um so ’ne Art Büro zu simulieren.«
    6 nickt. »Echt professionell, wie Tina hier ausgerüstet ist.«
    Während der nächsten halben Stunde treffen immer neue Leute ein und bilden kleine Gruppen. Und so stehen schon bald rund ein Dutzend Tina-Freunde rauchend und redend zwischen den Requisiten herum. Dann kommt Tina zu mir und sagt: »Okay. Wir können anfangen.«
    »Und wo sind die Darsteller?« frage ich und blicke um mich. Ich bin echt neugierig auf diese Leute und hoffe inständig, daß sie wirklich was drauf haben.
    »Also, das da drüben ist James«, sagt sie und zeigt auf einen schlaksigen blonden Typen, der eine Zigarette raucht und auf seine Füße starrt. Sieht echt aus wie ’n Filmstar, der Bursche: Ich bin mächtig beeindruckt. »Der soll den Liebhaber spielen. Und der Typ neben ihm macht den Manager.«
    »Wow, Tina, die Jungs sehen ja fantastisch aus. Sind das richtige Schauspieler?«
    »Na klar«, sagt Tina. »Ich bin froh, daß ich die habe – besonders James. Macht gerade einen Pilotfilm für NBC.«
    »Wow«, sage ich erneut. »Und wer spielt Jane?«
    »Ach so«, sagte Tina. »Hmm.«
    Plötzlich bin ich total in Panik. Immerhin ist Jane die Hauptfigur. »Sag schon, Tina. Haben wir überhaupt eine Jane?«
    »Also, genaugenommen«, sagt Tina, »hab ich gedacht, daß ich sie spielen könnte.«
    Ich sehe Tina lange an. »Hmm… was meinst du, 6?«
    tinas debüt

    »Tina, das ist keine Rolle für dich.«
    »6«, protestiert Tina. »Ich möchte sie aber spielen. Ich bin sicher, daß ich das kann.«
    »Kommt nicht in Frage«, sagt 6 knapp. »Tina, ich weiß, du bist eine gute Regisseurin, aber du hast doch noch nie selbst gespielt . Wir brauchen ’ne richtige Schauspielerin .«
    »Also gut «, sagt Tina, und ihre Augen werden immer schmaler, »wenn du Janes Rolle nicht übernimmst, dann weiß ich nicht, wer es machen soll.«
    Ich sehe 6 hoffnungsvoll an. Sie hat erschrocken die Augen aufgerissen. »Nein, ich mach es auf keinen Fall.«
    »Dann eben nicht«, sagt Tina blasiert.
    6 starrt sie an. »Du kleine Hexe.«
    Tina schnauft wütend und schaut beiseite.
    »Paßt mal auf«, sage ich und versuche mich als Friedensstifter. »Wir könnten ja wenigstens einen Versuch machen. Okay? Wenn Tina es nicht schafft, können wir uns ja was anderes überlegen. Aber macht bitte keine Probleme, wo es vielleicht gar keine gibt. In Ordnung?«
    Tina und 6 denken schweigend über meinen Vorschlag nach. Dann sagt 6 seufzend: »Also gut. Dann versuchen wir’s eben mit Tina.«
    tinas chance

    Tina ist furchtbar schlecht. Sie ist die totale Katastrophe.
    eine neue jane

    »Also gut«, sagt Tina gereizt. »Dann besorgt halt jemand anderen.«
    »Tina, das mußt du doch nicht persönlich nehmen«, sage ich. »Du bist nun mal Regisseurin und keine Schauspielerin. Ich meine, ich bin doch auch kein Schauspieler.«
    »Schon gut.« Sie ruft in die Runde: »Hallo, Leute,

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