Sirup: Roman (German Edition)
wir machen ’ne Pause. In fünfzehn Minuten geht’s weiter!«
6 rennt währenddessen wütend im Kreis herum, kommt jetzt aber zu uns herüber. »Ich begreife einfach nicht, wieso du uns verschweigst, daß wir keine Hauptdarstellerin haben«, faucht sie. Ihr Augen sind dunkle Schlitze. »Was zum Teufel hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
»Wollt ihr nun, daß ich euch helfe oder nicht?« giftet Tina. »Ich muß ja nicht unbedingt hier rumstehen!«
6s Lippen sind nur noch weiße Striche. Ich fasse sie am Arm und führe sie ein Stück beiseite. Wenn sie jetzt auch noch ausflippt, können wir den Film gleich vergessen. »6, nimm das doch alles nicht so tragisch. Ist doch nicht das erste Mal, daß wir vor einem Problem stehen.«
»Uns bleiben noch viereinhalb Stunden«, sagt 6, »und wir brauchen eine Hauptdarstellerin. Hast du vielleicht eine?«
»Genaugenommen nicht«, gebe ich zu und schließe die Augen. »Oh.«
»Was ist los?«
Ich atme tief durch und öffne dann wieder die Augen. »Ich weiß eine Schauspielerin.«
cindy [2]
Ich nehme 6s Handy und such mir einen schönen ruhigen Platz auf dem Campus – weit weg von den Menschen, so daß niemand mich hören kann. Denn ich bin ziemlich sicher, daß ich um diverse Demutsbekundungen und um inständiges Betteln kaum herumkomme.
Sie hebt beim fünften Läuten ab. »Hallo?«
»Hallo, Cindy«, sage ich fröhlich. »Wie geht es dir?«
Es folgt eine lange, irgendwie zufriedene Pause. »Hmm, und selbst, Scat?«
»Na ja«, sag ich.
»Wie lange ist es jetzt her?« fragt Cindy offenbar aufrichtig interessiert. »Zwei Tage? Drei?«
»Drei, glaub ich«, sag ich und bin überrascht, wie schnell die Zeit vergeht. Ich will schon erzählen, was ich so gemacht habe, um dann mein Hilfegesuch zu plazieren. Ich weiß aber auch, daß vorher noch ein paar – den Gesprächsverlauf – stabilisierende Maßnahmen fällig sind. »Und wie sieht’s bei dir so aus?«
»Na ja«, sagt Cindy. »Mir geht’s prima .«
»Echt?« frage ich aufrichtig überrascht und möchte mir die Zunge abbeißen.
»Klar doch«, sagt Cindy etwas blasiert. »Weißt du, gestern abend war ich auf ’ner Industrieparty, und alle haben gesagt, daß sie mich noch nie so gut gelaunt erlebt haben.«
»Super«, sage ich und blicke in den Abgrund, in den unser Gespräch zu stürzen droht.
»Jedenfalls geht’s mir viel besser, seit ich dich rausgeworfen habe. Meine Karriere läßt sich nicht schlecht an, ich bin frei, und außerdem muß ich mich nicht mehr mit deinen periodisch auftretenden neurotischen Anwandlungen herumschlagen. Ja, wahrscheinlich hast du mir mit deinem gottverdammten Egoismus letztlich sogar einen Gefallen getan.«
Ich schlucke. »Um so besser, Cindy«, sage ich und fühl mich wie ein komplettes Arschloch, »jetzt kannst du mir einen Gefallen tun.«
verhandlungen
Cindy kriegt einen regelrechten Lachkrampf. »Oh, Scat«, sagt sie, und ich weiß, daß sie sich die Tränen abputzt. »Du bist einfach unglaublich!«
»Klar, ich versteh ja, daß du im Augenblick nicht besonders scharf darauf bist, mir zu helfen…«
»Und weißt du, was das Beste ist?« sagt sie plötzlich. »Das beste ist, daß du überhaupt nichts kapiert hast. Ich hab dich nämlich rausgeschmissen, weil du immer nur deine eigenen Bedürfnisse siehst. Und jetzt rufst du mich an, weil ich dir einen Gefallen tun soll. Total witzig – findest du nicht?«
»Cindy…«
»Also, erwartest du tatsächlich, daß ich das für dich tue? Allen Ernstes?«
»Ich erwarte gar nichts von dir«, sage ich vorsichtig. »Ich bitte dich nur um etwas, weil ich nicht mehr ein noch aus weiß.«
»Und 6 – ist die vielleicht auch da?« fragt Cindy.
Ich zögere. »Ja.«
Cindy kriegt erneut einen Lachanfall. Ich halte erst mal den Mund und trete von einem Fuß auf den anderen. »Nein, das ist einfach zuviel«, sagt Cindy.
»Paß mal auf. Ich weiß, ich war nicht besonders nett zu dir. Ganz sicher hast du von mir viel weniger bekommen als ich von dir. Das geb ich ja zu.«
»Weiter.«
»Aber wenn es darauf ankam, Cindy, hab ich dich nie im Stich gelassen. Immerhin hab ich dir geholfen, als Model Fuß zu fassen, und die Sache mit dem Schauspielunterricht, das war auch meine Idee.«
»Schauspielunterricht«, sagt Cindy scharf. »Wie wär’s zur Abwechslung mal mit ein paar persönlichen Gefühlen? Wie wär’s mit ein wenig emotionaler Zuwendung? Davon hab ich jedenfalls wenig gespürt.«
»Cindy, tut mir leid. Mir fällt nichts
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