Sirup: Roman (German Edition)
»Entschuldige. Aber das weißt du natürlich selbst genausogut.«
6 sagt: »Wenn wir Tina antreiben, schmeißt sie den Job. Wir haben keine andere Wahl: Du mußt den Vorstand hinhalten.«
Ich glotze sie an. »Was…?«
»Ja, ganz richtig, du mußt den Vorstand hinhalten«, sagt 6 ungeduldig. »Das schaffst du schon irgendwie.«
Sie sagt das, als ob nichts leichter wäre, als einen Vorstand hinzuhalten, deshalb warte ich auf eine Eingebung. Doch der Himmel versagt mir seinen Beistand. »Und wie?«
6 sieht mich an. »Dir fällt schon was ein.«
wie man einen vorstand hinhält
Da ich kein Auto und gerade mal zwei Dollar Bargeld in der Tasche habe, bleibt mir keine andere Wahl, als den Bus zu nehmen. Ich stehe zwanzig Minuten an der Haltestelle und starre vergeblich den Wilshire Boulevard hinunter. Dann gebe ich auf und renne los. Tippelschwestern, Dealer und Wanderfreaks aller Art drehen sich nach mir um und starren mir verwundert hinterher.
Nach meinem Empfinden renne ich mindestens eine Stunde so durch die Gegend, und als ich schließlich bei Coke eintreffe, ist es fünf vor drei, ich bin schweißgebadet und kann kaum noch atmen. Aber ich bin da.
Ich stolpere in die Halle und keuche an der Rezeption: »Brennan.« Die Empfangsdame hat es anscheinend eilig, mich wieder loszuwerden, denn bereits Sekunden später stürmt Gary aus einem der Aufzüge.
»Mein Gott, Scat, wie sehen Sie denn aus? Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Nicht nötig«, flüstere ich und lehne mich an die Aufzugwand, während Gary auf die 20 drückt.
»Nun?« sagt er und beäugt mich. »Wie ist es gelaufen? Haben Sie das Ding?«
Meine Luft reicht nicht für eine Antwort, also nicke ich bloß.
Gary starrt mich an. »Erstaunlich.«
Ich versuche ein bescheidenes Lächeln, doch statt dessen überwältigt mich ein wirklich unschöner Hustenanfall. Gary tritt einen Schritt zurück und wartet, bis ich fertig bin.
»Allerdings müssen wir den Vorstand noch ’n Weilchen hinhalten«, keuche ich, »bis der Film hier ist. ’kay?«
Gary fährt zusammen. »Dann haben Sie den Film also noch gar nicht?«
»Nein.«
»Und – haben Sie ihn wenigstens gesehen ?«
»Hmm, eigentlich nicht.« Ich schlucke. »Aber ich bin sicher, daß er gut wird.«
premiere
In dem Sitzungsraum stehen ein Projektor und eine riesige Leinwand bereit. Dazwischen haben sich die Vorstände und andere Entscheidungsträger versammelt und führen lebhafte Gespräche. Merkwürdig, daß diese hohen Tiere, die über Milliardenetats gebieten, offenbar wegen einer privaten Filmvorführung voll aus dem Häuschen sind.
Ich bleibe in der Nähe der Tür stehen. »Ist Sneaky Pete hier?«
»Nein«, sagt Gary. »Der hat seinen Auftritt erst, wenn die Vorführung vorbei ist. Ich muß jetzt ’n bißchen Süßholz raspeln. Warten Sie hier an der Tür. Sobald der Film da ist, bringen Sie ihn sofort zu mir herunter. Kapiert?«
Ohne Vorankündigung geht plötzlich das Licht aus, und der Projektor tritt in Aktion. Zwei Dutzend Männer suchen im Halbdunkel nach ihren Plätzen, und Sneaky Petes Film beginnt.
süßstoff
Gleich im ersten Bild ist – zu meiner äußersten Beunruhigung – Sneaky Pete zu sehen. Sein Gesicht nimmt die ganze Leinwand ein, und seine Sonnenbrille funkelt und glitzert. Ich rutsche unbehaglich auf meinem Sitz hin und her.
»Herzlich willkommen«, sagt Sneaky Pete leise. »Sie wohnen heute einem historischen Ereignis bei, wie es Hollywood noch nicht gesehen hat. Aber auch die Limonadenindustrie und das Marketing betreten mit diesem Film Neuland.
Dieser Film ist eine Gemeinschaftsproduktion von Coca-Cola und Universal Pictures. Zwar sind wir mit unserer Arbeit noch nicht völlig fertig, doch wir können Ihnen bereits heute diesen dreißigminütigen Rohschnitt zeigen.
Meine Herren – willkommen bei Backlash .«
Und dann geht es los.
vorspann
Die erste Überraschung ist der Ton. Irgendwer hat ein halbes Dutzend riesiger Lautsprecher in dem Konferenzraum versteckt, und der ganze Raum ist plötzlich von Musik erfüllt. Auf der Leinwand bildet sich aus wirren Wolkenfetzen das Wort Backlash , und während ich noch die Spezialeffekte bestaune, läuft der Vorspann über die Leinwand.
Tom Cruise.
Winona Ryder.
Gwyneth Paltrow.
Ich stehe auf und gehe nach draußen.
debakel
Ich gehe schnurstracks auf die Toilette und schreie: »Scheiße! Scheiße!«
Als ich davon genug habe, trete ich mit dem Fuß gegen die Wand, und als auch das nicht hilft, versuche ich im
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