Sirup: Roman (German Edition)
Schock. Er vollführt mit dem Mund völlig sinnlose Bewegungen, und sein Blick wandert ständig zwischen dem Aufsichtsratschef und Jamieson hin und her. Doch in keinem der beiden Gesichter ist so etwas wie Sympathie zu erkennen.
»Sollte Mr. Brennans Position frei werden«, fährt der Vorsitzende fort, »wäre Mr. Pete nach unserem Dafürhalten der richtige Nachfolger. Möchte sich jemand dazu äußern?«
Ich bin wie benommen. Einfach unvorstellbar: Sneaky Pete ist Vizepräsident des Marketing. 6 schüttelt nur langsam den Kopf.
»Also gut«, sagt der Vorsitzende. »Dann sehe ich der Fertigstellung von Backlash voller Zuversicht entgegen. Ich bin sicher, daß Mr. Scat und Ms. 6 unter Mr. Petes Führung einen außerordentlichen Erfolg produzieren werden.«
Ich sehe Sneaky Pete an. Seine Mundwinkel ziehen sich ganz langsam nach oben, und er grinst mich von der andern Seite des Raums höhnisch an.
draußen vor der tür
»Oh, verdammte Scheiße«, sage ich. Ich bin völlig fertig. »Oh, verdammte Scheiße .«
»Scat«, sagt 6 und hält auf der Straße nach einem Taxi Ausschau, »wir haben gewonnen. Unser Ziel war es doch, uns irgendwie in das Projekt reinzuschleusen, und genau das haben wir geschafft.« Ein Taxi braust an uns vorbei, und 6 starrt ihm wütend hinterher. Eigentlich müßte die Kiste augenblicklich in die Luft fliegen. »Sei doch froh.«
»Froh?« Ich schnappe nach Luft. »Ich arbeite jetzt für Sneaky Pete .«
»Ja und?«
»Der macht doch Hackfleisch aus mir«, sage ich und sehe mich nach einer Mietdroschke um.
6 seufzt und starrt die Straße hinunter.
»Das ist ja ’ne ganz neue Seite an dir«, sage ich sauer. »Bisher bist du mir nicht gerade als Optimistin aufgefallen. Wie kannst du nur so ruhig sein?«
»Wir haben unser Ziel erreicht«, sagt 6 rundheraus. »Darüber bin ich froh.«
Ich gebe mir alle Mühe, an 6 Anzeichen von Freude zu entdecken.
»Scheißtaxis«, murmelt sie. Sie sieht mich an. »Schau mal, wir werden mit der Situation schon irgendwie klarkommen. Jetzt fahren wir erst mal zu Tina und feiern.«
»Feiern?«
»Die wollen doch wissen, wie es ausgegangen ist. Tina und das Team. Und die Darsteller ebenfalls, nehm ich mal an.«
»Oh. Cindy auch?«
6 zuckt mit den Achseln.
»Oh.« Ich will das Gespräch gerade wieder auf sicheres Terrain steuern, als 6 mich anstößt. Zunächst erwarte ich eine leidenschaftliche Umarmung, doch dann kapier ich, daß sie mich nur auf etwas aufmerksam machen will.
»Brennan«, murmelt sie.
Als ich mich umdrehe, sehe ich, daß Gary ungefähr unsere Richtung eingeschlagen hat. Er hält seine Autoschlüssel in der Hand, weiß aber anscheinend nicht recht, was er damit anfangen soll. Ich rufe seinen Namen, und er hebt langsam den Kopf und blickt sich verwirrt um, bevor er mich entdeckt.
»Scat«, sagt er dann und kommt näher. »6.«
»Scheiße, Gary«, sage ich. »Tut mir echt leid.«
»Tja«, sagt Gary.
Es entsteht eine peinliche Pause, und ich hoffe, daß 6 ihm ebenfalls ihr Beileid kundtut, doch sie verzichtet darauf. Da mir nichts anderes einfällt, sage ich schließlich: »So ein Mist auch.«
»Ich bin einundfünfzig«, sagt er völlig ratlos. Ich hab fast den Eindruck, daß er jeden Augenblick anfängt zu flennen. »Und ich habe vier Kinder.«
»Tut mir leid, Gary«, wiederhole ich, und das ist auch schon alles, was ich für ihn tun kann.
die wahren vorzüge des internen wettbewerbs
»Das ist doch totaler Quatsch«, sagt 6 in dem Taxi, »was Croft über Brennan gesagt hat.«
»Was? Daß sein Verhalten nicht hinnehmbar ist?«
6 nickt. »Er hat behauptet, daß Brennans Verhalten die Leistungsfähigkeit des Unternehmens auf Dauer schwächt.«
»Ja und – stimmt das vielleicht nicht? Eigentlich sollten die Mitarbeiter eines Unternehmens doch zusammenarbeiten und sich nicht gegenseitig fertigmachen.«
6 schüttelt den Kopf. »Falsch. Auf Dauer ist der interne Wettbewerb für ein Unternehmen nur von Vorteil, ja selbst Intrigen können nützlich sein.«
»Und wieso das?«
»Wegen der Gesetze des Marktes. Durch den Wettbewerb werden die schwächeren Mitspieler verdrängt, und die stärkeren bleiben übrig. Brennan muß mit Sneaky Pete einem stärkeren Mitspieler Platz machen, und das kommt letztlich dem Unternehmen zugute.«
»Hmm.«
»Natürlich«, sagt 6, »kann man das nicht so offen sagen. Wenn ein Unternehmen dieses Prinzip offiziell anerkennt, läuft die Sache aus dem Ruder. Und wenn jemand – wie Brennan – allzu
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